Zunehmende Feindseligkeit gegen Christen in Europa

Das Christentum als Bürde?

Nehmen Feindseligkeiten und Diskriminierungen von Christen in Europa immer mehr zu? Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Wiener Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung der Christen. Und zeigt Auswirkungen im Alltag auf.

Zerstörtes Gipfelkreuz in den Alpen / © Matthias Balk (dpa)
Zerstörtes Gipfelkreuz in den Alpen / © Matthias Balk ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mehr als 500 Fälle von Intoleranz gegenüber Christen haben Sie in Ihrem soeben vorgestellten Jahresbericht gefunden. Das sind Feindseligkeiten, die Christen in ihrem Alltag erleben. Haben Sie dafür Beispiele?

Dr. Martin Kugler (Wiener Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung): Wir unterscheiden sehr stark zwischen gesetzlichen Einschränkungen von Christen in der Gewissensfreiheit oder klassischen Fällen der Religionsfreiheit und eher subtilen und manchmal auch nicht rechtlich zu fassenden Feindseligkeiten. Für beides gibt es viele Beispiele. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren in ganz Europa recherchiert. Für uns ist es sehr bedenklich, wenn Leute in ihrem beruflichen Weiterkommen massiv gestört, behindert oder sogar deswegen entlassen werden, weil sie ihrem Gewissen als Christen folgen wollen.

Da gibt es beispielsweise Krankenschwestern, die jemanden temporär pflegerisch begleiten und auch vielleicht über Gott sprechen oder dem Patienten anbieten, für ihn zu beten. Dieses Angebot allein ist schon in manchen Ländern ein Problem. Es wurden deswegen bereits Krankenschwestern entlassen, die vorher bewährt ihren Dienst verrichtet haben.

Ein anderes Beispiel ist ein seit gestern vor dem höchsten Gericht Nordirlands anhängiges Verfahren gegen den Bäcker Daniel Mc Arthur. Vor ungefähr zwei bis drei Jahren hatte dieser einen Auftrag abgelehnt, einen Kuchen für die Hochzeit von zwei Homosexuellen zu backen. Den Kuchen hätte er wohl schon gebacken, aber er wollte die dortige damalige Kampagne für die Änderung des Eherechts nicht unterstützen. Er hätte auf den Kuchen groß den Schriftzug "support gay marriage", also Unterstützung für die Ehe von Homosexuellen, kreieren sollen. Das wollte er nicht. Er hat argumentiert, dass dies nicht seinem christlichen Glauben und vor allem seiner Überzeugung entspräche. Er würde im Übrigen auch keine schwulenfeindliche Pointe daraufsetzen, wenn der Auftrag in diese Richtung gelautet hätte. Er hat es offen erklärt und betont, dass er auch keine andere Bevölkerungsgruppe ablehnen oder diskriminieren wolle. Er wolle aber diese christliche Freiheit haben, so zu entscheiden. Er wurde von homosexuellen Aktivisten und Organisationen daraufhin angeklagt, die in dieser Ehe-Kampagne in Nordirland involviert war. Er wurde von einem Gericht verurteilt, hat aber nun das höchste Gericht angerufen, um das Urteil anzufechten.

Dieser Fall - auch wenn es ein Einzelfall ist - zeigt, dass es mitunter für Christen schwierig sein kann, ihre Religion und Glaubensvorstellungen im Alltag zu verwirklichen.

DOMRADIO.DE: Das könnte auch im Berufsfeld Medizin problematisch werden, oder?

Kugler: Richtig. Immer öfter passiert es auch, dass Hebammen aus diesen Gründen ein Problem bekommen. Da ist natürlich viel dramatischer, wenn sie sagen, dass sie an einer Abtreibung nicht mitwirken wollen. Ein anderer Fall sind Medizinstudenten, also Ärzte in der Ausbildung, derzeit in Frankreich. Wenn diese das Fach Gynäkologie wählen, dann müssen sie an einem Schwangerschaftsabbruch unter Umständen teilnehmen. Sie können da nicht sagen, dass sie Christ sind und das aus religiösen Gründen nicht machen wollen.

An dem Beispiel sieht man auch noch eine weitere Konsequenz. Wenn an den meisten medizinischen Fakultäten in Frankreich eine solche Forderung herrscht und sich durchsetzt, dann gibt es in 20 Jahren keine katholischen Gynäkologen mehr in Frankreich.

DOMRADIO.DE: Das sind Fälle von Diskriminierung von Christen im Arbeitsleben. Zu den Feindseligkeiten gegenüber Christen gehört aber auch der zunehmende Vandalismus in Kirchen und gegen christliche Symbole, oder?

Kugler: Das ist speziell für Mittlereuropäer sehr überraschend. Das bekommt man gar nicht immer so mit. In Deutschland gab es allein in den letzten vier Wochen acht Fälle, von denen wir Kenntnis erlangt haben. Dort wurde entweder ein Brand in einer Kirche gelegt oder es lag eine andere Form von Vandalismus vor. Das sind manchmal Taten von Einzeltätern. Manchmal geschehen solche Taten aber auch aufgrund eines kulturellen Klimas.

Auch die Geschichte mit den Gipfelkreuzen, die in Österreich, Deutschland und der Schweiz im vergangenen Sommer teilweise umgesägt wurden, sind vielleicht im ersten Moment schräge Dinge. Aber andererseits ist es auch ein Ausdruck von Feindseligkeit gegenüber allem Christlichen.

Die Reaktionen waren da auch zum Teil bezeichnend. Der Bergsteiger-Star Reinhold Messner hat gesagt, er lehne es zwar ab, dass man Gipfelkreuze absäge, aber eigentlich hätten sie dort oben auch nichts verloren. Es ist schon schockierend, dass da keiner dagegenhält und sagt, er sei zwar kein Katholik, aber finde es doch wichtig, dass die Religionsfreiheit gewahrt bleibe.

DOMRADIO.DE: Thema Ihres Berichtes ist auch die Säkularisierung. Diese schränke in Europa Christen in ihren Freiheiten immer mehr ein. Sie sagen, dass es Regierungen und Gruppen gibt, die darauf aus sind, das Christentum immer mehr an den Rand zu drängen. Wie geschieht das denn?

Kugler: Das geschieht einerseits medial. Ein Beispiel war die Startseite des Internetanbieters GMX. Vor ungefähr einem Jahr hatten sie einen Artikel veröffentlicht, in dem behauptet wurde, Verletzungen des Gehirns könnten zu starker Religiosität führen. Das haben sie dann noch mit dem Foto eines Lebensrecht-Marsches illustriert. Die Botschaft lautete also ungefähr: Wer gegen Abtreibung ist und ein Kreuz in der Hand hat, der ist potentiell auch jemand, der einen Gehirnschaden hat oder zumindest betroffen sein könnte und vor allem ein religiöser Fanatiker ist.

Die Begriffe "religiöser Fanatismus" oder "extrem religiös" sind im Zeitalter des politischen Islam sehr gefährliche Begriffe. Wenn man diese Begriffe auf Menschen, die ein Lebensrechtsengagement aufweisen, anwendet, dann ist das schon eine echte Ausgrenzung.

Ein anderes Beispiel ist die Haltung, Leute durch Assoziation mit irgendwelchen Themen einzuschüchtern. Beispiele wären hier Abtreibung, Kritik an der homosexuellen Ehe oder das Adoptionsrecht. Wenn man als Christ dagegen eine Meinung hat und vielleicht auch etwas schreibt, dann wird man oft in einer Assoziationskette mit rechtsstehenden Gruppen in Bausch und Bogen verurteilt. Dadurch wird die Meinungsfreiheit minimiert oder gar gänzlich aufgehoben. Man vermeidet eigentlich die Diskussion mit Argumenten, indem man die Personen ablehnt. Das ist eigentlich gar nicht säkular, sondern im Gegenteil eine ideologische Engführung und fast sektiererisch. Aber es wird im Gewand des Säkularismus hoffähig gemacht.

DOMRADIO.DE: Wie geht man denn in den Gesetzen der Länder damit um?

Kugler: Das kann man so pauschal nicht sagen, weil es in vielen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird. Es gibt mehr sogenannte "soft laws", also "weiche Gesetze", Dinge, die nicht in der Verfassung stehen. In der Verfassung steht meistens etwas Gutes zur Religionsfreiheit.

Es wird eher auf der regionalen Ebene wie beispielsweise beim Demonstrationsrecht reglementiert. Da werden unter Umständen christliche Gruppen oder christliche Studentengruppen an einer Universität schlechter behandelt. Wenn diese auch nur ein bisschen missionarisch sind oder nur eine politisch unkorrekte Agenda wie Lebensschutz oder Bioethik haben, dann werden die oft zum Schweigen gebracht. Dies geschieht einfach durch das Heranziehen von Hate-Speech-Paragrafen, die eigentlich gegen Hetze gedacht sind. Es gibt in England und auch Deutschland mehrere Campusse, wo christliche Gruppen Schwierigkeiten haben und ausgegrenzt werden.


Quelle:
DR