Martin Scorseses Film "Silence"

Glauben, leiden, zweifeln

Keine leichte Kost serviert Starregisseur Martin Scorsese in "Silence", der ab diesem Donnerstag in den Kinos zu sehen ist. Es geht um die Geschichte der Jesuiten im Japan des 17. Jahrhunderts - eine Geschichte voller Verfolgung und Leid.

Autor/in:
Michael Ranze
Liam Neeson als Pater Ferreira in einer Szene aus dem Film "Silence" / © Kerry Brown/Concorde (dpa)
Liam Neeson als Pater Ferreira in einer Szene aus dem Film "Silence" / © Kerry Brown/Concorde ( dpa )

In Martin Scorsese "Silence" geht es um Glauben und Zweifel, um Abtrünnigkeit und Seelenpein, um Spiritualität und Opfer. Oft schon hat sich der Regisseur mit Religion beschäftigt - auf direkte Weise in "Die letzte Versuchung Christi" und "Kundun", manchmal aber auch nur festgemacht an den religiösen Schuldgefühlen einer Figur, wie sie Harvey Keitel in "Hexenkessel" spielt.

An Gott zu glauben, ist bei Scorsese nie einfach. "Silence" geht noch einen Schritt weiter und stellt gewichtige Fragen: Kann man an Gott glauben, wenn dieser Glaube Leid und Tod über andere bringt? Darf man Gott verneinen, wenn man nur so Menschenleben retten kann?

Japanische Romanvorlage

Der Film beruht auf dem Roman des japanischen Autors Shusaku Endo (1966, dt. "Schweigen", 1977), der nicht nur unterschiedlich aufgefasste Religiosität erkundet, sondern auch kulturelle Gegensätze: Es geht nicht nur um Gott, sondern auch um Nationen. Die Entschlossenheit, mit der Japan bis zum 19. Jahrhundert alles Fremde unnachgiebig bekämpfte, ist von besonderer Bedeutung.

Japan im Jahr 1640. Die Behörden halten unter allen Umständen Macht und Isolation des Landes aufrecht, christliche Missionare werden ebenso die Gläubigen gnadenlos verfolgt. Vor diesem Hintergrund werden zwei portugiesische Ordensmänner, Pater Rodrigues und Pater Garupe, nach Japan geschickt, um mehr über den Verbleib ihres Mentors zu erfahren: Pater Ferreira soll dem katholischen Glauben abgeschworen haben und zurückgezogen als Japaner leben.

Zunächst kontaktieren die beiden Jesuitenpatres eine Gruppe japanischer Christen, die in ständiger Angst vor staatlicher Gewalt leben. Besonders Inquisitor Inoue, ein kalt lächelnder Sadist, will mit nicht gerade zimperlichen Methoden das Christentum in Japan ausradieren. Schon zu Beginn muss man in einer Rückblende aus der Sicht Ferreiras mitansehen, wie Priester mit dem dampfenden Wasser einer heißen Quelle überschüttet werden.

Heimliche Taufen in einem Versteck

Tagsüber verstecken sich Rodrigues und Garupe in einer kleinen Holzhütte in der Nähe des Dorfs, nachts halten sie in spärlich erleuchteten Räumen Predigten auf Latein, taufen Kinder und nehmen die Beichte ab. Doch dann hat das Versteckspiel ein Ende: Rodrigues wird von Inoues Häschern gefangen und muss nun hilflos mit ansehen, wie andere Katholiken grausam gefoltert werden. Ein Machtkampf zwischen ihm und Inoue entspinnt sich, Rodrigues weigert sich beharrlich, seinem Glauben abzuschwören. Bis urplötzlich Ferreira auftaucht.

Scorsese interessiert sich, neben dem religiösen Diskurs, vor allem für Pater Rodrigues, einen dieser gefallenen Männer, die sein Werk durchziehen. Mit angstgeweiteten Augen verfolgt Rodrigues die Folterungen, manchmal weist er die Gläubigen schroff zurück, immer wieder muss er sich vergewissern, dass er als Missionar Gutes tut.

Am schlimmsten ist für ihn das Schweigen Gottes auf seine Gebete, das seinen Glauben so sehr erschüttert. Sein Leiden, auch seine Schwäche werden von Andrew Garfield aber leider nur unzureichend dargestellt: nicht nur, dass er mit langen, hochtoupierten Haaren aussieht wie ein Model - ihm fehlt auch die nötige Schwere. Manchmal wirkt er wie ein Kind, das erschrocken auf das Geschehen blickt.

Film ist zu lang geraten

Visuell beeindruckt der Film durch die Genauigkeit, mit der Scorsese einer vergangenen Zeit nachspürt und sie wiederbelebt, nicht zu vergessen die Schönheit der Landschaft, die (vor allem in der ersten Szene bei den heißen Quellen) in starkem Kontrast zum grausamen Geschehen steht.

Insgesamt ist "Silence" dabei zu lang geraten, nicht immer stimmt der Rhythmus, zu ausführlich ist die Einführung gehalten; wiederholte Szenen von Folterungen und Demütigungen - etwa das Treten mit dem Fuß auf ein Holzrelief mit dem Abbild Christi - sind redundant und ermüdend. Solche ungewohnten Schwächen mögen enttäuschen, doch gerade in den Rededuellen zwischen Rodrigues und Inoue sowie Ferreira diskutiert der Regisseur Glauben und Zweifel komplex und ernsthaft. In heutigen Zeiten, in denen religiöse Verfolgung noch genauso akut ist wie im 17. Jahrhundert, ist dies gar nicht hoch genug zu bewerten.


Papst Franziskus empfängt Regisseur Martin Scorsese / © Osservatore Romano / Handout (dpa)
Papst Franziskus empfängt Regisseur Martin Scorsese / © Osservatore Romano / Handout ( dpa )
Quelle:
KNA