Attacken gegen Christen in Israel haben unterschiedliche Hintergründe

Zwischen Ignoranz und Terror

Mitte Juni legten Unbekannte Feuer in einer Kirche in Israel. Wie viele andere Übergriffe auf Christen und ihre Gebäude, ist auch dieser noch nicht aufgeklärt. Aber ab Montag ist die Brotvermehrungskirche in Tabgha wieder für Besucher geöffnet.

Nach Brandanschlag in Tabgha (dpa)
Nach Brandanschlag in Tabgha / ( dpa )

Nach dem Brandanschlag auf die Brotvermehrungskirche in Tabgha im Norden von Israel tappt die Polizei noch immer im Dunkeln. "Es könnten lokale Kriminelle gewesen sein", sagt Polizeisprecher Micky Rosenfeld. Die Schmähschrift an einer Wand der Kirche verstärke jedoch die Vermutung, dass die Täter aus dem Umfeld extremistischer Juden kommen. "Die falschen Götter werden zerschmettert werden", stand dort auf Hebräisch in Anlehnung an ein jüdisches Gebet. 16 Studenten einer jüdischen Hochschule waren nach dem Brandanschlag Mitte Juni von der Polizei festgehalten worden, mussten aber nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt werden.

Umgeworfene Grabsteine auf christlichen und muslimischen Friedhöfen, Schmähschriften an Klosterwänden und Brandanschläge auf Gotteshäuser, wie jüngst in Tabgha: Das alles gehört zum Repertoire der Gruppe "Tag mechir", zu deutsch: Preisschild.

Dazu gehören kaum mehr als ein paar Dutzend jugendliche jüdische Extremisten, fast alle kommen aus einem nationalreligiösen Umfeld und leben in Siedlungen. Mit ihren Gewaltaktionen wollen sie die jüdische Präsenz in den noch besetzten Palästinensergebieten festigen und letztendlich alle Andersgläubigen aus dem Heiligen Land vertreiben. Dennoch gibt es nur selten juristische Verfahren gegen Mitglieder von "Tag mechir".

"Gesellschaftliche Debatte für mehr Toleranz"

Israel definiert die religiös motivierten Angriffe seit einigen Jahren als Terror, und Politiker nahezu aller Fraktionen solidarisieren sich mit den Christen. Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte höchste Priorität für die Aufklärung, nachdem sich die Übergriffe zum Besuch von Papst Franziskus im Frühjahr 2014 gehäuft hatten. Und derzeit folgt sogar der inländische Nachrichtendienst Shin Beth den wenigen Spuren derer, die das Feuer in der Brotvermehrungskirche legten. Trotzdem kam es am letzten Tag vor den großen Ferien vor wenigen Tagen erneut zu rassistischen Hetzschriften und Hakenkreuzen an dem Gebäude der Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem, der größten jüdisch-arabischen Institution im Land.

Die Polizei reagiert mit zusätzlichem Sicherheitspersonal. Das Pro-Kopf-Aufgebot vor allem in der Jerusalemer Altstadt, wo die heiligsten Stätten von Christen, Juden und Muslimen eng beieinander liegen, soll so dicht sein wie an kaum einem anderen Ort weltweit. Doch gerade in der Altstadt sehen sich Priester, Nonnen und Mönche immer wieder Pöbeleien und Beschimpfungen von Jeschiwa-Studenten ausgesetzt.

Propst Wolfgang Schmidt von der evangelischen Erlöserkirche erlebte selbst, dass "Ultraorthodoxe vor mir auf den Boden spuckten, als ich im Lutherrock und mit Kreuz unterwegs zu einer Veranstaltung war". Die "ernsthaften Bemühungen" der Polizei allein werden, so glaubt der Propst, nicht zu einer Lösung führen. Nötig sei eine "gesellschaftliche Debatte". Letztendlich gehe es um mehr Toleranz.

Interreligiöser Dialog erforderlich

Unzufrieden ist Jariv Oppenheimer, Chef der Friedensbewegung "Peace now": Israel unternehme "keine ausreichenden Anstrengungen" zu Befriedung der Lage. Seit sieben Jahren säten die Aktivisten von "Tag mechir" mit den Zerstörungen neuen Zorn und erschwerten die friedliche Koexistenz von Juden, Christen und Muslimen. Jakow Salame, Abteilungsleiter für Minderheiten im Innenministerium, versichert indes, der Regierung sei klar, dass "die Verletzung von religiösen Symbolen im Heiligen Land dramatische Folgen haben kann".

Einen möglichen Ausweg sieht David Nekrutman vom Zentrum für jüdisch-christliches Verständnis und Kooperation im Dialog zwischen den Religionen. Jüdische Religionsgelehrte betreiben das Zentrum in einer israelischen Siedlung. Nekrutman rät dringend zur Unterscheidung: zwischen den 12- bis 15-jährigen ultraorthodoxen Jeschiwa-Schülern, die von Ignoranz und Unwissenheit getrieben seien, und den nationalreligiösen "Tag mechir"-Aktivisten.

"Das Bespucken von Kirchenleuten durch Jeschiwa-Schüler könnte leicht unterbunden werden", man müsse nur die Rabbiner einbeziehen, sagt Nekrutman. Sie seien es, die ihren Schülern die rechte Botschaft mit auf den Weg geben müssen.

 Susanne Knaul


Quelle:
epd
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