Islamisten stellen Christen in Mossul Ultimatum

Mit dem Tode bedroht

Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) hat den in Mossul verbliebenen Christen ein Ultimatum für das Verlassen der nordirakischen Stadt gestellt. DIe UN werfen IS-Kämpfern und Iraks Armee andauernde Menschenrechtsverstöße vor.

Millionenstadt Mossul / © Sgt. Michael Bracken
Millionenstadt Mossul / © Sgt. Michael Bracken

Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) hat den in Mossul verbliebenen Christen ein Ultimatum für das Verlassen der nordirakischen Stadt gestellt. Sie müssen demnach bis an diesem Samstag um 24 Uhr Mossul verlassen, wenn sie nicht zum Islam übertreten oder ein Schutzgeld an Scharia-Gerichte zahlen. Andernfalls drohe ihnen der Tod. Der katholische Erzbischof von Bagdad, Jean Benjamin Sleiman, bestätigte Berichte über das Ultimatum am Samstag gegenüber dem italienischen Pressedienst SIR. Unterdessen setzten IS-Kämpfer den Sitz des syrisch-katholischen Bischofs in Mossul in Brand, wie der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Joseph III. Jounan dem Sender Radio Vatikan sagte.

Mitglieder der Terrorgruppe haben damit begonnen, Häuser und Grundstücke von Christen zu markieren. Das berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen). "Einige Christen berichteten unseren Mitarbeitern, dass viele christliche Immobilien mit dem arabischen Buchstaben ‚N’ markiert worden seien", sagte der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, in Göttingen. "N" stehe für "Nasara" und heiße übersetzt "Christen". Für die Christen ist die sogenannte Ninive-Ebene in der Provinz Mossul das letzte Gebiet im Irak, wo sie noch als große Gemeinschaft zusammenleben. Nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker sind nach der Eroberung der Stadt Mossul durch ISIS Mitte Juni mindestens 250 christliche Familien dorthin geflohen. Die Ninive-Ebene wird von kurdischen Sicherheitskräften geschützt. Sie werden von christlichen Polizeikräften unterstützt.

In Mossul würden die Christen systematisch verfolgt, so Sleiman. Gegenwärtig befänden sich noch etwa 50 christliche Familien in der Stadt. Möglicherweise seien inzwischen jedoch auch von ihnen etliche geflohen. "Mossul hat bereits seine christliche Komponente verloren", sagte der Erzbischof. Vor der Besetzung durch die IS-Kämpfer lebten einige Tausend Christen in der Stadt mit einst 1,5 Millionen Einwohnern.

Sleiman äußerte sich zudem äußerst besorgt über die Lage der Christen auf der Flucht. Die IS-Kämpfer nähmen den fliehenden christlichen Familien an Kontrollpunkten Geld, Autos und alle Gegenstände ab, die sie bei sich führten. So seien die Schutzsuchenden gezwungen, oft etliche Kilometer bei großer Hitze zu Fuß zurückzulegen, bis sie die ersten christliche Dörfer erreichten.

Menschenrechtsverstöße auf beiden Seiten

Die Vereinten Nationen haben der Terrorgruppe Islamischer Staat, aber auch der irakischen Armee schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Aus dem Irak träfen jeden Tag schreckliche Berichte über Menschenrechtsverstöße gegen Kinder, Frauen und Männer ein, sagte UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Freitag. Vor allem Kinder seien unverhältnismäßig von dem Konflikt betroffen, heißt es in einem Bericht der UN-Mission im Irak (Unami) und des UN-Menschenrechtskommissariats. So gebe es glaubhafte Informationen über Zwangsrekrutierungen von Kindern als Soldaten.

Laut dem Bericht kamen seit Anfang des Jahres fast 5600 Zivilisten ums Leben, mehr als 11 600 wurden verletzt. Rund 1,2 Millionen Menschen seien vor den Kämpfen und der Gewalt auf der Flucht. Allein seit Anfang Juni seien rund 600 000 Menschen geflüchtet. Im Frühjahr hatte es im Westen des Iraks erste Kämpfe zwischen Regierung und Extremisten gegeben. Von Juni an konnten IS-Kämpfer große Teile im Norden und Westen des Landes übernehmen.

Die IS-Verstöße könnten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen, so der Bericht. IS-Einheiten und ihre Verbündeten hätten systematisch Zivilisten angegriffen und dabei die Absicht verfolgt, möglichst viele von ihnen zu töten oder zu verletzen. Zu den Menschenrechtsverletzungen gehörten Tötungen, Exekutionen und Entführungen. Sie richteten sich gegen Zivilisten, Soldaten, Politiker und Geistliche. Schwere Verbrechen wurden laut UN zudem gegen ethnische und religiöse Minderheiten verübt.

Der Bericht führt gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen der irakischen Armee auf. Dazu gehörten standrechtliche Tötungen von Gefangenen, die ebenfalls Kriegsverbrechen gleichkommen könnten, heißt es. Es gebe Zweifel, dass das Militär und seine Verbündeten die notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten unternähmen.

Auch die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International (AI) und Human Rights Watch hatten der Terrorgruppe IS und der irakischen Armee Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Extremisten gingen mit rücksichtsloser Gewalt gegen Gegner und Andersgläubige vor, so Amnesty. Der Armee warf die Organisation wahllose Angriffe mit Artillerie und aus der Luft vor, denen Zivilisten zum Opfer fielen.

Zwei Frauen gesteinigt

Am Samstag wurde bekannt, dass die Terrorgruppe Islamischer Staat im Nordwesten Syriens innerhalb von 24 Stunden zwei Frauen gesteinigt hat . Beiden Opfern sei Prostitution vorgeworfen worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag mit. Demnach steinigten IS-Kämpfer das erste Opfer am Donnerstag nach dem Abendgebet auf einem Markt in der Stadt Al-Tabka. Die Tote sei eine 26 Jahre alte Witwe gewesen.

Die zweite Frau wurde den Menschenrechtlern zufolge einen Tag später in der Nähe eines Sportplatzes in der Stadt Al-Rakka getötet. IS-Kämpfer hätten dafür einen mit Steinen beladenen Wagen an den Ort der Hinrichtung gebracht.

Die Terrorgruppe veröffentlichte im Kurzmitteilungsdienst Twitter Bilder, die eine der beiden Hinrichtungen zeigen sollen. Das Opfer ist nicht zu sehen

Islamkonferenz verurteilt Terror im Namen des Glaubens

Mit einer entschiedenen Absage an die religiöse Verbrämung des Terrorismus ist derweil in Istanbul eine dreitägige Konferenz von rund hundert muslimischen Geistlichen aus mehr als 30 Ländern zu Ende gegangen. Terrorismus könne nicht als Form eines Heiligen Krieges der Gläubigen akzeptiert werden, hieß es in dem am Samstag verabschiedeten Schlussdokument. Mit Blick auf die Konflikte zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppen im Irak und in Syrien rief die Konferenz die verschiedenen islamischen Konfessionen zu gegenseitigem Respekt auf. Alle Muslime seien Brüder.

Das Treffen war auf Initiative des staatlichen türkischen Religionsamts zustande gekommen und sollte besonders angesichts des Vormarsches radikal-sunnitischer Kämpfer im Irak und Syrien einen Beitrag zur Überwindung der Gräben zwischen Sunniten und Schiiten leisten. Vor allem die jüngsten Erfolge der radikal-sunnitischen Gruppe "Islamischer Staat" hatten die Türkei beunruhigt. IS hat in Teilen Iraks und Syriens ein "Kalifat" ausgerufen und Muslime in aller Welt aufgefordert, sich den Weisungen der Gruppe zu unterwerfen. Gleichzeitig begann der IS in seinem Einflussbereich damit, schiitische und christliche Heiligtümer und Gotteshäuser zu zerstören.

In dem Schlussdokument riefen die Teilnehmer der Konferenz die Muslime in aller Welt zur Toleranz gegenüber andersdenkenden Muslimen und Mitgliedern anderer Konfessionen auf. Die "islamische Identität" sei politischen, gesellschaftlichen oder konfessionellen Identitäten übergeordnet. Der Pluralismus in der islamischen Welt solle als Reichtum verstanden werden.

Der Islam verurteile alle Formen ungerechtfertigter Gewalt, betonte die Abschlusserklärung. Es sei Terrorismus, wenn Menschen in Massakern getötet und Moscheen angegriffen würden, hieß es in Anspielung auf die Gewalttaten des IS. Terror könne im Islam nicht als Heiliger Krieg akzeptiert werden.


Flüchtlinge im Irak (dpa)
Flüchtlinge im Irak / ( dpa )
Quelle:
KNA , dpa