Menschenrechtler warnen vor Verfolgung

Christen-Exodus droht

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte warnt einem regelrechten "Exodus" der christlichen Minderheit aus Syrien und Ägypten. Allein aus der syrischen Stadt Aleppo sind bereits 200.000 Christen geflohen.

 (DR)

Die IGFM appellierte an die Bundesregierung, bei ihren außenpolitischen Entscheidungen ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der christlichen Minderheiten zu legen. Die internationale Gemeinschaft müsse sich für einen angemessenen Schutz der Christen stark machen. "Hunderttausende Christen sahen sich während des Irak-Krieges gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, ohne dass ihnen nennenswerter Schutz geboten wurde", sagte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. Diese Tragödie dürfe sich nicht wiederholen.

Islamistische Terrorgruppen treiben laut IGFM derzeit eine "religiöse Säuberung" voran. Christen würden zu Sündenböcken für die Konflikte degradiert und gezielt angegriffen. In Ägypten seien die Kopten aus der Sicht der Muslimbrüder Unterstützer des Militärs, das ihren Präsidenten Mohammed Mursi nach landesweiten Massenprotesten entmachtet hatte. In Syrien würden sie als angebliche Unterstützer der Regimes Baschar Al-Assads und als vermeintliche Fremdkörper in einen islamischen Staat bekämpft, so die Menschenrechtsorganisation.

In Syrien sind laut IGFM in den vergangenen Wochen ganze christliche Dörfer von Rebellengruppen angegriffen worden. In Ägypten hätten islamistische Muslimbrüder koptische Kirchen, Geschäfte und Wohnviertel mit Brandsätzen und Molotov-Cocktails angegriffen.

Kurdische, drusische und christliche Minderheiten in Syrien würden von der "Freien Syrischen Armee", einer der größten Rebellengruppe Syriens, als Gegner und als angebliche Unterstützer des Regimes von Baschar Al-Assad gesehen, so die Menschenrechtler. Am 17. August seien in der vorwiegend von Christen bewohnten Ortschaft Ain al-Ajouz elf Menschen durch einen Rebellenangriff getötet worden, neun davon waren Christen. Während die staatliche Nachrichtenagentur SANA von einem "Massaker" gesprochen habe, erklärten die Rebellengruppen, sie hätten auf regierungstreue Militärs gefeuert.

Kindermissionswerk besorgt über Situation der Kinder in Syrien

Das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" hat sich besorgt über die Situation der Heranwachsenden in Syrien gezeigt. Unter den Opfern der seit rund zwei Jahren dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen seien viele Kinder, die ihre Heimat verlassen mussten, oftmals ohne ihre Eltern, sagte der Präsident des katholischen Hilfswerks, Klaus Krämer, am Donnerstag in Aachen. Die erwartete Eskalation setze sie noch größeren Gefahren aus. "Wir fordern die deutsche Regierung auf, auf die USA und Russland einzuwirken, um eine gemeinsame Strategie zur Befriedung des Bürgerkriegs zu entwickeln. Alle Konfliktparteien müssen zu Friedensgesprächen an einen Tisch gebracht werden", so der katholische Geistliche.

Nach neuesten Zahlen des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen seien inzwischen eine Million Kinder aus Syrien in die Nachbarländer geflüchtet. Weitere zwei Millionen Jungen und Mädchen sollen in Syrien als Binnenvertriebene auf der Flucht sein, oftmals ohne Eltern oder andere Begleiter. "Wir sorgen uns besonders um die nicht begleiteten Kinder, die auf der Flucht sind. Sie sind schutzlos und werden oftmals Opfer von Ausbeutung und Gewalt", sagte der Prälat. Je eher der Bürgerkrieg in Syrien friedlich gelöst werde, desto schneller könne es gelingen, diese Kinder aufzufangen.

In den Nachbarländern Jordanien und dem Libanon stiegen die Flüchtlingszahlen jeden Tag, berichtete Kämer unter Bezug auf Projektpartner des Kindermissionswerks aus den jeweiligen Ländern. Seit November 2011 unterstütze das Kindermissionswerk lokale Partner in ihrer Arbeit für geflüchtete Kinder und ihre Familien aus Syrien.

Die Hilfe umfasst laut den Angaben sowohl materielle Güter als auch die dringend erforderliche psychosoziale Betreuung der Kinder zur Bewältigung ihrer erlittenen Traumata.

Katholischer Moraltheologe: Bericht von UN-Experten zu Giftgas abwarten

Vor einem militärischen Eingreifen des Westens in Syrien muss nach Ansicht des katholischen Moraltheologen Eberhard Schockenhoff der Bericht der UN-Experten zum Giftgaseinsatz abgewartet werden. Erst dann könne ein Mandat für einen Militäreinsatz erteilt werden, sagte Schockenhoff am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Ein Nachweis eines großflächigen Einsatzes von Nervengas in Syrien durch die UN-Inspektoren sei ein klarer Interventionsgrund.

Wenn ein Militäreinsatz zum Schutz der Bevölkerung gerechtfertigt sei, könne Deutschland nicht völlig abseits stehen, argumentierte Schockenhoff, der stellvertretender Vorsitzender im Deutschen Ethikrat ist: "Wenn es sich nicht mit militärischen Mitteln beteiligt, dann muss es in anderer Weise diese Aktion unterstützen."

Das Völkerrecht ächte zwar Krieg grundsätzlich als Mittel der Politik, sagte der Freiburger Theologieprofessor. Ausgenommen seien davon der klassische Verteidigungsfall und systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sollte der Einsatz von Giftgas in Syrien nachgewiesen werden, handele es sich um einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht, der gegen die eigene Bevölkerung gerichtet sei.

Für eine sorgfältige Abwägung der Lage in Syrien nach dem Giftgaseinsatz hatte sich am Mittwoch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ausgesprochen. Kein Militärschlag könne legitim sein, solange es keine mit Fakten untermauerte Gewissheit über die Verantwortlichen der Chemiewaffen-Attacke gebe, sagte Erzbischof Zollitsch.

UN-Inspekteure ermitteln bis Freitag

Die UN-Chemiewaffen-Inspekteure werden laut Generalsekretär Ban Ki Moon am Freitag ihre Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasangriffs nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus beenden. Einen Tag später sollen die Kontrolleure das Land verlassen und anschließend dem UN-Generalsekretariat Bericht erstatten, wie Ban am Donnerstag in Wien sagte. Die UN-Experten ermitteln seit Montag.

Bei dem Giftgaseinsatz vor rund einer Woche sollen mehr als 1.000 Menschen getötet worden sein. US-Präsident Barack Obama beschuldigt das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad, für die Toten verantwortlich zu sein. Obama erwägt eine Militärintervention in Syrien auch ohne UN-Mandat, um Assad für den Einsatz der geächteten Waffen zu bestrafen. Diplomaten erklärten, der Bericht der UN-Inspekteure könnte Obamas Entscheidung beeinflussen.

In dem seit mehr als zwei Jahren dauernden syrischen Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen bewaffneten Oppositionsgruppen kamen mehr als 100.000 Menschen ums Leben.

 


Quelle:
epd , KNA