Papst betet für Opfer in Ägypten

Christen als Sündenböcke?

Papst Franziskus betet für die Opfer der blutigen Zusammenstöße in Ägypten. Menschenrechtler warnen vor der wachsenden Gefahr von Pogromen gegen Christen. Sie sprechen von einer gezielten Terror-Kampagne gegen christliche Minderheit.

Ausgebrannte Kirche in Minya (dpa)
Ausgebrannte Kirche in Minya / ( dpa )

"Die Situation ist brenzlig, es sind mehrere hundert Menschen gestorben“, bestätigt im domradio.de-Interview am Donnerstag auch Monsignore Joachim Schrödel, der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Kairo. Er hofft, dass die Lage nicht weiter eskaliert. Die Ausschreitungen ereigneten sich nicht im ganzen Stadtgebiet. Die meisten Kopten in seiner Nachbarschaften würden mit großer Gelassenheit reagieren.

Papst Franziskus erinnerte in Castel Gandolfo an die Toten und Verletzten des ägyptischen Konflikts sowie deren Familien. "Beten wir gemeinsam für Frieden, Dialog und Versöhnung in diesem geliebten Land und in der ganzen Welt“, sagte der Papst. Franziskus war zum Feiertag Mariä Himmelfahrt nach Castel Gandolfo gereist, das rund 30 Kilometer von Rom entfernt liegt.

Christen und Muslime in Deutschland rufen zu einem Ende der Gewalt in Ägypten auf. Er höre mit "großer Bestürzung und Trauer" von den jüngsten Ereignissen in dem Land, sagte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, am Donnerstag in Hannover. Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnte vor der Gefahr von Pogromen gegen Christen und verlangte einen besseren Schutz der religiösen Minderheiten. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland forderte die arabische und westliche Welt auf, die neuen Machthaber in Kairo zum sofortigen Gewaltverzicht zu drängen.

Mehr als 500 Tote in Ägypten

Ägyptische Sicherheitskräfte hatten in Kairo Protestlager von Mursi-Anhängern gewaltsam geräumt. Nach Angaben der Übergangsregierung kamen dabei mindestens 525 Menschen ums Leben.

Unter den Opfern seien auch viele Christen, sagte Auslandsbischof Schindehütte. Zudem seien christliche Einrichtungen und Kirchen in Brand gesetzt und zerstört worden. Allen Betroffenen und Angehörigen der Gewaltopfer gelte Solidarität.

Kopten-Bischof bestürzt über Ausschreitungen

Der Kopten-Bischof Anba Damian aus Deutschland äußerte sich bestürzt über die Ausschreitungen. "Ich bin von der Gewalt tief betroffen, mein Herz blutet", sagte Damian am Donnerstag in Höxter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Christen würden in der ägyptischen Verfassung keinen Schutz genießen, weil diese auf dem islamischen Recht der Scharia beruhe, kritisierte Damian. Muslime zu töten oder Moscheen zu zerstören sei hingegen strafbar. Weil die Kirchen schutzlos seien, richte sich die Gewalt gegen sie.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland erklärte in Köln, staatliche Repression sei das falsche Mittel, weil sie nur zu weiterer Eskalation führe: "Es drohen die algerischen Verhältnisse der 90er am Nil." Der ohnehin schleppende Weg zu Demokratie in Ägypten sei derzeit zum Erliegen gekommen. "Wenn das Blutvergießen weitergeht und die Menschenrechte brutal mit Füßen getreten werden, verlieren Ägypten und die Demokratie vollends", warnt der Zentralrat. "Gewinner sind dann die Hardliner und Terroristen."

In Ägypten verurteilte der Gründer der christlichen Bewegung "Jugend von Maspero", Emad El Erian, die Haltung des Westens: "Ihr regt euch auf, weil die Polizei die Lager bewaffneter Extremisten räumt, aber wenn massenhaft Kirchen angegriffen werden, dann sagt ihr nichts? Was ist denn das für ein Begriff von Menschenrechten?" Die sehr starke Welle von Gewalt gegen die Christen in Ägypten gehe auf die Anhänger Mursis zurück, zu denen sehr radikale islamische Gruppen gehören. Ziel dieser radikalen Gruppen sei es, Ägypten in einen Bürgerkrieg zu stürzen, fügte Emad El Erian hinzu. "Sie wollen deswegen Christen und Muslime gegeneinander aufbringen."

Vorwurf: Gezielte Terror-Kampagne gegen Christen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker erklärte, Indizien deuteten "darauf hin, dass es sich bei der Zerstörung von Kirchen und Einrichtungen der Christen um eine gezielte Terror-Kampagne von Islamisten handelt, mit der das brutale Vorgehen der Militärs gegen Mursi-Anhänger gerächt werden soll". Innerhalb weniger Stunden seien Kirchen, Klöster, Pfarrämter, konfessionelle Schulen und Wohnhäuser nicht nur in Kairo und Umgebung, sondern auch in Alexandria, Suez und in Oberägypten vorsätzlich in Brand gesetzt worden.

Nach Angaben der Polizei und christlicher Aktivisten wurden landesweit 26 Kirchen verwüstet. Die Angreifer warfen unter anderem Brandbomben auf die Gebäude. 13 weitere Gotteshäuser wurden leicht beschädigt. Außerdem attackierten die Extremisten sechs christliche Schulen und vier Gemeindezentren. In Suez wurde eine Schule der Franziskaner angezündet. In den südlichen Provinzen Al-Minia und Luxor zerstörten radikale Islamisten zudem Häuser, Autos, Geschäfte und Nil-Ausflugsbote, die Christen gehören. In Luxor zündeten sie zwei Etagen eines Hotels an, das einem Christen gehört. Touristen wurden nicht verletzt.

Der Koordinator der ägyptischen Bewegung gegen religiöse Diskriminierung, Munir Megahed, hatte vor Beginn des Polizeieinsatzes gegen die Protestlager der Anhänger von Ex-Präsident Mohammed Mursi berichtet, es habe in den letzten Wochen verstärkt Drohungen gegen Christen gegeben. Megahed sagte damals: "Die Kopten dürfen nicht zu Sündenböcken werden."

 

Quelle:
dpa , DR , epd , KNA