Kirchenvertreter in Kairo nehmen Polizei in Schutz

"Bürgerkriegsähnliche Zustände“

Nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Mursi-Anhängern ist die Lage in Kairo weiter gespannt. Von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ spricht der Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, Joachim Schroedel.

Trauer nach neuer Gewalt in Kairo (dpa)
Trauer nach neuer Gewalt in Kairo / ( dpa )

Die Situation sei "unübersichtlich", sagte Schroedel, dessen Gemeindezentrum in der Innenstadt unweit dem Tahrir-Platz liegt.

Der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz in Ägypten, Antoine Rafic Greiche, sagte, Zahlen von mehr als 100 getöteten Anhängern des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi seien übertrieben. Laut einer Meldung des vatikanischen Pressedienstes Asianews (Mittwoch) bestritt er Darstellungen, die Polizei sei mit scharfer Munition gegen die Besetzer des Nahda-Platzes nahe der Universität vorgegangen. Die Demonstranten hätten sich hinter Sandsäcken und Steinmauern verschanzt und auf Wasserwerfer und Tränengas mit Steinwürfen und Schüssen geantwortet.

Auch Schroedel bezweifelte "Horrorzahlen" von Hunderten Toten. Polizei und Militär gingen "mit äußerster Vorsicht" gegen die Islamisten vor. Dass es ein Massaker gegeben habe, scheine «nicht der Fall zu sein». Die Einsatzkräfte hätten versucht, die Demonstranten mit Tränengas "auszuräuchern" und zu einem kontrollierten Abzug zu bewegen. Funde von Kalaschnikows und Maschinengewehren zeigten, dass es sich keineswegs um friedliche Kundgebungen handele.

Zunehmende Feindseligkeiten gegen Christen

Unterdessen nehmen nach Schroedels Aussage Feindseligkeiten gegen Christen in Mittelägypten zu. Seit einigen Wochen würden kirchliche Gebäude häufiger Ziel von Schmierereien; diese bezeichneten den Islam als «wahre Religion Ägyptens» und den koptischen Papst Tawadros II. als "Hund". "Die Christen müssen sich in nächster Zeit warm anziehen, weise und klug sein", so der Priester.

Vor allem Tawadros II. sei durch seinen Rückhalt für Ägyptens Armeechef Abdel Fattah al-Sisi beim Sturz Mursis politisch unter Attacke geraten, sagte Schroedel. Die koptische Kirchenleitung wolle sich jetzt "bedeckt halten". Man fahre derzeit öffentliche Aktivitäten herunter, um sich nicht dem Vorwurf von Islamisten auszusetzen, das Volk aufzuhetzen. Schroedel verwies dabei auch auf die Absagen von Mittwochsaudienzen des koptischen Papstes.

Verantwortlich für die Aggressionen gegen Christen seien "Minderheiten", betonte Schroedel. Teilweise gehe es in mittelägyptischen Dörfern mit einem Christenanteil von 60 bis 70 Prozent auch um Nachbarschaftszwist oder um Neid auf Wohlhabendere.

Zugleich verfügten die Muslimbrüder mit angeblich 500.000 eingetragenen Mitgliedern über ein beachtliches Potenzial; "das sind mehr als die CDU-Mitglieder in Deutschland", so Schroedel.

Kirchensprecher Greiche nannte die Rede von einem "geteilten Ägypten" irrig. Die Islamisten machten "weniger als fünf Prozent der Bevölkerung" aus, sagte er dem Pressedienst Asianews. Zur breiten Mehrheit gehörten zwar auch konservative Muslime; diese lehnten aber das Programm der Muslimbrüder ab, so der Priester.


Quelle:
KNA