Missio warnt vor islamistischem Verfassungsentwurf in Ägypten

Gegen Scharia als Rechtsgrundlage

In Ägypten verschlechtere sich die Lage der Christen gerade rapide, zu dieser Einschätzung kommt CDU-Politiker Volker Kauder. Auch das katholische Hilfswerk Missio warnt, mit dem islamistischen Verfassungsentwurf sei Präsident Mursis Maske gefallen. Christen könnten die Scharia als Rechtsgrundlage nicht akzeptieren, so Missio-Referent Mathias Vogt im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Der momentane Protest in Ägypten entzündet sich an dem Verfassungsentwurf, über den soll die ägyptische Bevölkerung am 15. Dezember abstimmen. Wie sieht die katholische Kirche diesen Verfassungsentwurf?
Vogt: Die Kritik der katholischen Kirche aber auch der koptisch-orthodoxen Kirche und der liberalen Kräfte in der Gesellschaft Ägyptens ist, dass der Artikel 2, der bisher die Prinzipien der Scharia, also des islamischen Rechts, als die Grundlage der Gesetzgebung in Ägypten festgelegt hatte, jetzt noch einmal verschärft werden soll, indem das Wort "Prinzipien" wegfällt und die Scharia direkt als Grundlage in Ägypten dienen soll. Das ist eigentlich keine Verfassung, sondern das ist die Berufung auf Koran und Scharia als Rechtsgrundlage für das Land. Das kann weder die Kirche, das können weder die Christen, noch können das Liberale und moderate muslimische Kräfte in Ägypten gutheißen. Das ist der Hauptkritikpunkt neben dem Eilverfahren, indem Mursi und die Islamisten diesen neuen Verfassungsentwurf jetzt durchbringen wollen. Er ist durchgepeitscht worden durch die verfassungsgebende Versammlung, anders kann man das nicht nennen, und soll jetzt praktisch ohne längere öffentliche Diskussion am 15. Dezember zur Abstimmung gestellt werden. Das ist auch ein Kritikpunkt der Kirche. Das geht viel zu schnell, das ist intransparent, weite gesellschaftliche Kreise werden nicht beteiligt und die Islamisten haben offenbar auch gar kein Interesse daran, sie zu beteiligen.

domradio.de: Wie islamistisch ist dann die Regierung Mursi?
Vogt: Sie ist doch islamistischer als man sich anfangs vielleicht erhofft hatte. Nun wussten alle, dass Mursi nicht nur von den Muslimbrüdern, von denen man dachte, mit ihnen verhandeln zu können, sondern auch von den Salafisten unterstützt wird, von denen jeder wusste, dass sie äußerst islamistisch sind und eigentlich keine Gesprächspartner sein können. In den vergangenen Wochen hat Mursi doch etwas die Maske fallen lassen. Er hat sich zunächst als demokratischer, offener, für alle Gesellschaftsschichten dialogbereiter Präsident zeigen wollen und mit dem islamistischen Verfassungsentwurf ist da doch etwas die Maske gefallen und er scheint da auch auf Mittel zurückgreifen zu wollen, wie die versuchte Entmachtung der Justiz und das Durchpeitschen des Verfassungsentwurfs, die nicht ganz demokratisch sind.

domradio.de: Steht Ihrer Einschätzung nach noch eine weitere Eskalation zwischen Regierung und Opposition bevor?
Vogt: Es stehen ganz sicher Großkundgebungen im Umfeld des Verfassungsentwurfs an und es kommt am 25. Januar der zweite Jahrestag der Revolution, spätestens dann wird sich auch die Opposition noch einmal groß zu Wort melden und auf die damals eingeforderte Freiheit und Demokratie und den Rechtsstaat wieder verweisen. Man kann nur hoffen, dass das einigermaßen friedlich verläuft. Die Emotionen schlagen in Ägypten auf beiden Seiten sehr leicht hoch. Man kann nur hoffen, dass sich Polizei und Sicherheitskräfte bedächtig verhalten und dass auch die Demonstranten nicht zur Gewalt aufrufen oder kleine Gruppen Gewalt ausüben. Die Lage bleibt gefährlich, trotzdem ist das Wiederaufwachen der Opposition ein Hoffnungszeichen.

Das Interview führte Heike Sicconi (domradio.de)  

Hintergrund:
Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), hat die schlechter werdende Lage für Christen in Ägypten beklagt. "Acht Millionen christliche Kopten leben dort und sie befürchten mehr und mehr, dass sie ihren Glauben bald nicht mehr ausüben können" sagte Kauder im Interview der "Welt am Sonntag". Er selbst werde Anfang Februar nach Ägypten reisen. Dabei plane er, mit der neuen ägyptischen Regierung unter Präsident Mohammed Mursi zu sprechen.

Kauder sagte, er habe bereits das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Partei der Muslimbrüder gesucht. "Dabei habe ich ihm schon erklärt, dass wir zum Beispiel nicht für den Tourismus in Ägypten werben können, wenn dort nicht sichergestellt ist, dass man unbehelligt am Sonntag in die Kirche gehen kann", sagte Kauder der Zeitung.

Die Entwicklung in Ägypten sei aber kein Einzelfall. "Die Religionsfreiheit wird weltweit durch den Islamismus bedroht", sagte der Unionsfraktionschef. Überall dort, wo muslimische Extremisten die Mehrheit hätten, werde es für andere Religionen schwierig.


Quelle:
epd