Volker Kauder über den Einsatz von UN und Bundesregierung für Religionsfreiheit

"Sonst haben Christen keine Chance mehr"

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dazu aufgefordert, der weltweiten Wahrung der Religionsfreiheit mehr Beachtung zu schenken. Im domradio.de-Interview spricht der CDU-Politiker über die Situation von Christen in Syrien, die Aussichten einer UN-Resolution und Schwierigkeiten mit dem Islam.

 (DR)

domradio.de: Wie war Ihr Gespräch mit Ban Ki Moon?

Kauder: Ich habe Ban Ki Moon unsere Sorge vortragen können, dass Christen weltweit verfolgt sind, und dass Christen vor allen Dingen in den aufbrechenden Demokratisierungsinitiativen im Nahen Osten, im Norden Afrikas doch erhebliche Probleme bekommen. Ich habe ihn dafür sehr sensibilisieren können. Er hat mir auch erklärt, dass der Menschenrechtsrat in Genf - eine Unterorganisation der UNO - sich natürlich für verfolgte Minderheiten einsetzt. Aber es ist schon auch deutlich geworden, dass es in der UNO selbst eine ganz konkrete Resolution zur Situation verfolgter Christen kaum geben wird.



domradio.de: Was erhoffen Sie sich jetzt nach Ihrem Gespräch mit Ban Ki Moon?

Kauder: Der Generalsekretär hat darauf hingewiesen, dass es natürlich in erster Linie darauf ankommt, dass die Mitgliedsstaaten das Thema in die Diskussion einbringen, dass er selber immer dann, wenn es zu konkreten Gewalttaten kommt, sich äußern wird. Das hat er getan in Ägypten, das hat er jetzt in Nigeria getan. Aber es kommt darauf an, dass die Mitgliedsstaaten sich mit dem Thema befassen. Und das bedeutet, dass Deutschland bei Resolutionen - beispielsweise jetzt in Syrien - eben versuchen muss durchzusetzen, dass in eine solche Resolution auch die Beachtung der Menschenrechte und vor allen Dingen der Religionsfreiheit ankommt. Ich habe in der UNO-Vollversammlung den Bericht der Hohen Kommissarin für Menschenrechte aus Genf erlebt, wie sie geschildert hat, was alles in Syrien falsch läuft, dass die Rechte von Kindern erheblich bedroht sind, dass es Tote gibt in dieser fast schon Bürgerkrieg zu nennenden Situation. Aber es ist eben leider kein einziges Wort darüber gefallen, dass auch religiöse Minderheiten - und hier in der konkreten Situation sind es Christen - betroffen sind. Und deswegen werden wir schon darauf achten müssen, dass wir immer wieder das Thema bringen und ansprechen.



domradio.de: Was muss denn geschehen, um die Christen in Syrien zu schützen?

Kauder: In Syrien sind die Christen in einem furchtbaren Dilemma. Sie befürchten, dass es ihnen nach dem Sturz des Diktators schlechter geht als jetzt in der konkreten Situation. Was sie natürlich nicht daran hindern darf, sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen. Aber man muss dann auch großen Wert darauf legen, dass die Christen geschützt werden. Die Hinweise darauf, dass in Syrien Al Kaida Kontakte zur Opposition hat, machen uns da nicht zuversichtlicher. Wir müssen das schon sehr genau im Auge behalten. Es sind ganz schwierige Diskussionen, ohne schnellen Erfolg erwarten zu können. Aber wir müssen es immer wieder öffentlich machen und ansprechen. Wir dürfen da nicht nachlassen. Sonst haben die Christen in der ganzen Welt keine Chance mehr.



domradio.de: Wenn Sie sagen: "Wir dürfen nicht nachlassen", dann gilt das auch für Deutschland. Inwieweit kann denn die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Christenverfolgung mehr zum Thema wird?

Kauder: Wir können, so wie ich die Situation in den Vereinten Nationen einschätze, immer wieder darauf hinweisen, dass Religionsfreiheit - ohne jetzt konkret die Christen zu nennen - ein existenzielles Menschenrecht ist, das ja auch in der Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 genau festgelegt ist; dass wir immer auf die Einhaltung hinweisen. Das macht die deutsche Regierung auch, und natürlich in den Gesprächen, die die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister in betroffenen Ländern führen, darauf hinzuweisen. Ich bin sehr zufrieden, mit dem, was die Bundesregierung macht. Keine Bundesregierung zuvor hat so konkret die Situation von verfolgten Christen angesprochen. Und wenn ich nur daran denke, was Bundesentwicklungshilfeminister Niebel und Bundesaußenminister Westerwelle bereits auf ihren Reisen alle angesprochen haben, ist schon bemerkenswert. Und ich glaube, dass dies auf Dauer nicht ohne Wirkung bleibt.



domradio.de: Sie haben gerade gesagt, die Religionsfreiheit ist auch in der Charta der Vereinten Nationen bei den Menschenrechten verankert. Welchen Stellenwert muss denn Ihrer Meinung nach die Religionsfreiheit im Rahmen dieser Menschenrechte haben?

Kauder: Ich selber bin der Auffassung, dass die Freiheit, Religion zu leben, zu bekennen, im öffentlichen Raum zu bekennen, das existenziellste Menschenrecht ist, weil es das Menschenrecht ist, das auf eine weitere Dimension hinweist. Selbst die Menschen, die sagen, sie glauben an keinen Gott, sie glauben an nichts nach diesem irdischen Leben, beschäftigen sich ja auch mit der religiösen Frage. Und deswegen ist das Recht, seine Religion frei ausüben zu dürfen, das wirklich existenziellste Menschenrecht. Und das gilt natürlich auch für alle anderen Religionen. Das gilt für Muslime, Juden, Hindus - für alle gilt das Recht. Allerdings, eines ist auch klar: Wir schützen das Recht auf freie Religionsausübung. Wir schützen nicht die Religion, wie es die Muslime gerne haben möchten. Und das Recht auf freie Religionsausübung heißt auch, dass ich meinen Glauben bekenne, dass ich ihn aber auch wechseln kann. Und das ist genau das Problem mit dem Islam, wo der Glaubenswechsel nicht zulässig ist. Und das ist ein elementares Recht von Religionsfreiheit. Das werden wir in einer UN-Vollversammlung, die mehrheitlich nicht von christlich orientierten Staaten repräsentiert wird, so nicht zum Gegenstand einer Entscheidung machen können. Darauf müssen wir schon selber immer hinweisen. Das ist eine Daueraufgabe: dass Religionsfreiheit heißt, meine Religionszugehörigkeit auch wechseln zu können. Das wird noch eine schwierige Diskussion mit dem Islam werden.



Das Gespräch führte Dagmar Peters.