Ein Klima der Angst überschattet die religiösen Feste in Indien

Kampf gegen das Böse

In Indien hat wie jedes Jahr Ende September ein Reigen hoher religiöser Feste begonnen. Am Sonntag findet das "Durga Puja" statt. Doch wegen der Gewalt in vielen Teilen Indiens ist die Stimmung in diesem Jahr gedrückt. So hatte der indische Bischof Sarat Chandra Nayak den Drahtziehern der Christenverfolgungen in seiner Heimat zuletzt "Faschistische Methoden" vorgeworfen.

Autor/in:
Hilmar König
 (DR)

Das Kunstwerk entsteht aus Pappmaché, Rohrgeflecht und Gips - die Statue der Hindu-Göttin ist größer als ein Mensch. Zuletzt bemalt Asim Chatterjee die sechsarmige Göttin, die auf einem Löwen reitet, mit Farbe, vor allem Rot und Gold. Chatterjee gehört zu den Hunderten Volksbildhauern, die in Kalkutta ihren Lebensunterhalt mit dem Anfertigen von Götterstatuen verdienen. In Indien hat wie jedes Jahr Ende September/Anfang Oktober ein Reigen hoher religiöser Feste begonnen. Am 5. Oktober findet das "Durga Puja" statt. Doch wegen der Gewalt in vielen Teilen Indiens ist die Stimmung in diesem Jahr gedrückt.

Vier Tage dauert die Verehrung der Göttin Durga, von der Statuen auf einem Podium in einem überreich dekorierten Festzelt stehen werden. Hunderttausende Menschen werden in den nächsten Tagen mit Opfergaben zur "Puja" kommen, zur Andacht. Sie werden Durga danken, dass sie den mächtigen Büffel-Dämon Mahishasura besiegt hat, wie es in der Mythologie heißt. Damit hat das Gute über das Böse triumphiert.

Am fünften Tag werden alle Durga-Statuen in Kalkutta auf Lastwagen verladen und in riesigen Prozessionen zum Hooghly-Fluss gebracht.
Unter Hochrufen, Trommelwirbel und Hörnerklang übergibt man die Figuren schließlich dem Wasser. Vor allem in Bengalen, Assam und Orissa ist Durga Puja das wichtigste Fest des Jahres. Höhepunkt und Ende der Festsaison ist Diwali, das Lichterfest, das in diesem Jahr auf den 28. Oktober fällt. Dann spielt eine andere Göttin die Hauptrolle, Vishnus Gemahlin Lakshmi. Sie symbolisiert Wohlstand, Glück und Fruchtbarkeit.

Die Hoffnung, dass das Gute das Böse besiegt
Die Göttin Durga ist eine der Inkarnationen von Parvati, der Gemahlin des Schöpfer-, Bewahrer- und Zerstörergottes Shiva. Als Uma, die Gnädige, und Sati, die liebende Ehefrau, zeigt sie sich von ihrer schönsten, mildesten Seite. Als Durga ist sie die Bezwingerin des Bösen, als Kali die schreckliche Zerstörerin. Und als Shakti verkörpert sie überschäumende Lebenskraft. "Durga Puja" fällt in die heiligen neun Nächte der Hindus, in denen die Gläubigen tagsüber fasten und nachts einer strengen Diät folgen.

Vor "Durga Puja" ist die Hoffnung, dass das Gute das Böse besiegt, in diesem Jahr besonders groß. Denn der Reigen der Feste beginnt im Schatten von Gewalt. Wie gespannt die Stimmung ist, zeigte sich auch an der Massenpanik vor einem Tempel in Jodhpur, bei der am Dienstag mindestens 147 Menschen starben. Ein Gerücht über eine angebliche Bombe soll die Panik ausgelöst haben, hieß es. Nach mehreren Terroranschlägen mit zahlreichen Toten und Verletzten sucht die Polizei die Täter derzeit ausschließlich unter Muslimen und durchkämmt deren Siedlungen mit harten Methoden. Auch die Anschläge auf Kirchen und Häuser von Christen, angeheizt von hindufundamentalistischen Gruppen, im östlichen Bundesstaat Orissa schufen ein Klima der Angst und Unsicherheit

Die Gewalt trieb 50.000 Menschen in die Flucht
Die Extremisten in Orissa wüten weiter. Der katholische Erzbischof Rapahäl Cheenath sagte, die Lage sei nach wie vor außer Kontrolle. Am Sonntag waren wieder drei Christen tot aufgefunden worden. Und erneut gingen 40 Häuser in Flammen auf. Auch in anderen Teilen Indiens kam es zu Gewalt gegen Christen: Rund 4.000 Anschläge wurden bislang registriert. Mehr als 50 Menschen starben. Geistliche wurden verprügelt, Nonnen vergewaltigt, mehr als 140 Kirchen und 4.000 Häuser in über 300 Dörfern zerstört.

Die Gewalt trieb 50.000 Menschen in die Flucht. Die Asiatische Menschenrechtskommission schätzt inzwischen nicht mehr, dass es sich wie anfangs geglaubt um sporadische Aktionen handelt. Die Täter gingen vielmehr systematisch, nach präziser Planung und häufig mit dem stillen Einverständnis der Behörden vor.

Der frühere indische Premierminister Deve Gowda (1996-1997) und Hunderte andere Bürger protestieren seit Tagen mit einem Sitzstreik in einem Park in Neu-Delhi gegen die Verfolgung der christlichen Minderheit. Indien war bislang stolz auf seine religiöse Toleranz. Doch nun warnt Gowda vor einem Verfall der Werte, wenn dem Treiben fundamentalistischer Kräfte nicht energisch begegnet wird.