Hilfswerke und Verbände starten ersten bundesweiten Digitaltag

"Ein Bestandteil unseres Lebens"

Viele Menschen fürchten negative Folgen der Digitalisierung. Ein Aktionstag soll Risiken und Chancen des Wandels aufgreifen. Wegen der Corona-Krise findet er auch vorwiegend digitalen Raum statt.

Symbolbild Online, Tablet, digital / © TippaPatt (shutterstock)
Symbolbild Online, Tablet, digital / © TippaPatt ( shutterstock )

Verschieben oder ausfallen lassen war keine Option: Darüber waren sich die 28 Organisationen einig, die gemeinsam die Initiative "Digital für alle" bilden. Sie ist Trägerin des ersten bundesweiten Digitaltags am Freitag. Drei Viertel der Deutschen und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr sehen die Digitalisierung als Chance, wie aus einer Bitkom-Studie zum Digitaltag hervorgeht. Auch daher findet der Aktionstag online statt - mit über 1.000 Livestreams, Webinaren, Online-Tutorials und virtuellen Führungen.

Unter den Veranstaltern sind etwa der Deutsche Caritasverband, die Diakonie, der Deutsche Kulturrat sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Zuletzt hat sich der Deutsche Bibliotheksverband angeschlossen - und will Menschen, die zu Hause keinen Computer haben, von Büchereien aus die Teilnahme ermöglichen.

Bundesregierung lädt zum Bürgerdialog ein

Manch einer könne so erste Schritte in den digitalen Raum wagen, sagt Projektleiterin Anna-Lena Hosenfeld: "In der jetzigen Krise merken viele Menschen, wie sehr uns digitale Möglichkeiten im Alltag eine Hilfe sind."

Hosenfeld hofft, dass darin mittelfristig auch eine Chance liegt. Bislang seien positive Gestaltungsmöglichkeiten oft zu wenig im Blick. "Digitale Technologien können neue Wege eröffnen", betont Hosenfeld. So könnten Apps etwa Menschen, die Hilfe suchen, mit denen vernetzen, die unterstützen wollen. "Es gibt Netzwerke von Dorfgemeinschaften oder Initiativen, die Umweltdaten erheben und für die Allgemeinheit aufbereiten. Diese Projekte können die ganze Gesellschaft weiterbringen."

Dafür gibt es auch prominente Unterstützung: Die Digitalisierungsbeauftragte der Bundesregierung, Dorothee Bär (CSU), lädt zum Bürgerdialog ein; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt die Preisträger des Preises für digitales Miteinander virtuell im Schloss Bellevue. In der Jury für die Auszeichnung, auf die es 250 Bewerbungen gab, sitzen wiederum die Ministerinnen Julia Klöckner (CDU) und Franziska Giffey (SPD), der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und Aktivist Raul Krauthausen.

Thema betrifft ganze Gesellschaft

Dass ein so breites Bündnis den Digitaltag trägt, liegt nach Ansicht von Hosenfeld daran, dass das Thema die ganze Gesellschaft betrifft. Viele Menschen fürchten indes die Auswirkungen der Digitalisierung. In einer Umfrage des Bündnisses wurde am häufigsten die Sorge um Daten genannt. Auch soziale Auswirkungen, etwa Angst vor Jobverlust oder verzerrten Debatten durch "Fake News", spielen eine Rolle. Fast jeder Dritte hat demnach das Gefühl, der Entwicklung nicht mehr folgen zu können.

"Es gibt ein Gefühl der Überwältigung", resümiert Johannes Landstorfer, Koordinator Digitale Agenda beim Deutschen Caritasverband. Bei Beratungsstellen meldeten sich mitunter Menschen, die zwei Jahre lang krank gewesen seien - und sich danach im Alltag kaum noch zurechtfänden, weil die Digitalisierung so schnell so viel verändert habe. "Das ist fatal", mahnt Landstorfer. "Die Bevölkerung muss an entscheidenden Transformationen mitwirken."

Verbände wie die Caritas seien in verschiedenen Hinsichten gefordert. Einerseits entstünden durch die Digitalisierung neue Gefahren, etwa durch automatisierte Entscheidungssysteme. "Wir müssen digitale Themen begreifen, um bestimmte Risiken einschätzen zu können."

"Kein Ersatz für das Analoge"

Ein Beispiel sei die Schuldnerberatung: "Da geht es häufig um das sogenannte Scoring, das Bankberatern ermöglichen soll, die Kreditwürdigkeit eines Kunden zu beurteilen. Was im Hintergrund geschieht, ist oft intransparent oder für Laien schwer nachzuvollziehen, kann aber entscheidend sein für die weitere Lebensgestaltung." 

Die Caritas müsse Betroffene einerseits unterstützen - und sich andererseits an der Debatte darüber beteiligen, in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen derartige automatisierte Entscheidungen sinnvoll und zulässig seien, meint Landstorfer.

Ziel des Digitaltags ist es laut Hosenfeld, unterschiedliche Aspekte zu beleuchten und zu diskutieren. Landstorfer erklärt, dass am Ende neue Perspektiven für den Alltag entstehen könnten. Dabei sei "weder das Ziel sinnvoll, noch, dass alles digital stattfindet", betont er. "Es ist ein Bestandteil unseres Lebens, aber kein Ersatz für das Analoge."

Von Paula Konersmann


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema