Christian Wulff über Stiftungen und soziales Engagement

​Seismografen einer besseren Gesellschaft

​Greifen Stiftungen dem Staat unter die Arme? Oder benutzt sie die öffentliche Hand nur, um ihre eigenen Aufgaben abzuwälzen? Der Frage ging Altbundespräsident Christian Wulff auf dem Deutschen Stiftungstag nach.

Autor/in:
Stefan Buchholz
Christian Wulff / © Bernd Weissbrod (dpa)
Christian Wulff / © Bernd Weissbrod ( dpa )

"Akteure der Zivilgesellschaft und Alternative zu Staat und Wirtschaft" - so lautet eine Definition von Christian Wulff für Stiftungen. Das frühere Staatsoberhaupt sprach am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Caritas-Gemeinschaftsstiftung und der Evangelischen Stiftungen in der Osnabrücker Sankt Marien-Kirche im Rahmen des Deutschen Stiftungstags.

Den häufig geäußerten Vorwurf, der Staat missbrauche Stiftungen, um seine eigenen Aufgaben abzuwälzen, wies er zurück. Stattdessen ergänzten sie den Staat mit ihrer Unterstützung.

Unguter Stimmungsumschwung

Wulff zeigte sich besorgt, dass es in der internationalen Politik derzeit weniger gute Tendenzen zu beobachten gebe: Egoismus, Nationalismus und Abschottung würden symbolisiert durch den Brexit und die Wahl Donald Trumps.

Als Ursachen für den Stimmungsumschwung nannte Wulff vier Bereiche: Erstens führe weltweiter Terror dazu, ganze Gruppen zu diffamieren. Zweitens sorgten die Flüchtlingsströme für Zweifel: "Viele fragten, ob wir das schultern können. Denen sollten wir sagen: Wenn 500 Millionen Europäer nicht drei Millionen Flüchtlingen helfen und Schutz geben können, dann ist die europäische Idee auch nicht so viel wert", so Wulff.

Drittens verändere die Digitalisierung die Diskussionskultur. Sie ermögliche, dass rasch Verschwörungstheorien und Netzwerke entstünden, wie die des sogenannten Islamischen Staates oder der Reichsbürger. Als vierten Punkt nannte der 57-Jährige eine ungerechte Globalisierung. "Wir haben uns unzureichend klargemacht, dass unter der Globalisierung Missbräuche und Exzesse stattgefunden haben, die die Menschen zu Recht empören."

"Viele müssen sich einbringen"

Staat und Wirtschaft seien bei der Lösung dieser Probleme überfordert, so Wulff. "Es braucht vieler, sie sich verantwortlich fühlen und einbringen für eine gerechtere, soziale Gesellschaft." Stiftungen leisteten dazu einen wichtigen Beitrag. "Sie initiieren, einem Seismografen gleich, früher Aktivitäten, die unsere Gesellschaft besser machen."

Mit dieser These Wulffs beschäftigte sich eine anschließende Talkrunde zum Thema "Ganz schön stupid: Reiches Land - und trotzdem geht nichts ohne Ehrenamt". Die Stärke von Stiftungen seien schnellere Entscheidungswege, sagte etwa Friederike von Bünau von der Kulturstiftung der evangelischen Kirche Hessen/Nassau. Sie schlug in Zeiten der Null-Zins-Politik - und damit sinkender Erträge für Stiftungen - vor, den Fokus nicht nur auf das Geld, sondern das Engagement der Menschen zu richten.

Bewusstsein als mündige Bürger

Die Bereitschaft vieler Beteiligten, sich zu engagieren, führte der evangelische Pfarrer und Musiker Clemens Bittlinger auf das gestiegene Bewusstsein der Menschen als mündige Bürger zurück. Diesem Trend könne eine Stiftung durch eine Vielzahl von Unterstiftungen entgegenkommen, sagte der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe. "Es fällt den Leuten dann leichter, etwas zu stiften und noch konkreter zu helfen."

Der Deutsche Stiftungstag zum Thema "Bildung!" findet von noch bis Freitag in Osnabrück statt. Rund 1.600 Teilnehmer aus ganz Europa nehmen an dem Kongress teil. Veranstalter ist der Bundesverband Deutscher Stiftungen, der als unabhängiger Dachverband nach eigenen Angaben rund drei Viertel des deutschen Stiftungsvermögens repräsentiert.

Quelle:
KNA