Caritas-Kampagne 2017 stellt "Heimat" in den Mittelpunkt

Gewohnheiten, Gerüche, Gespräche

Die Jahres-Kampagne 2017 des Deutschen Caritasverbandes hat das Motto "Zusammen sind wir Heimat". Dabei soll es vor allem um die Integration von Flüchtlingen gehen. Verbandspräsident Peter Neher erklärt die Kampagne im domradio.de-Interview.

Eine Ehrenamtliche im Gespräch mit Flüchtlingen / © Thilo Schmülgen (dpa)
Eine Ehrenamtliche im Gespräch mit Flüchtlingen / © Thilo Schmülgen ( dpa )

domradio.de: Sie sagen, Sie wollen den Begriff "Heimat" nicht rechten Gruppen überlassen. Was meinen Sie damit?

Peter Neher (Präsident Deutscher Caritasverband): Der Begriff wird häufig auch so verwendet, dass dann Gruppen einfach sagen: 'Meine Heimat ist mir wichtig, ich will nicht, dass sich meine Heimat verändert. Ich habe eine bestimmte Vorstellung von Heimat und die soll möglichst so erhalten bleiben.' Wir greifen diesen Begriff auf, weil Heimat etwas sehr Emotionales ist. Den Begriff gibt es praktisch nur in der deutschen Sprache. Wir wollen deutlich machen, dass Heimat viel mehr ist, dass Gewohnheiten, Gerüche, Gespräche, Menschen dazu gehören. Und dass man nur zusammen Heimat sein kann und nicht, indem man sich abgrenzt und Obergrenzen einführt.

domradio.de: Die Integration vieler Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen ist nicht immer einfach. Die Caritas will die Debatte um die Integration ohne Scheuklappen führen. Wie wollen Sie das konkret machen?

Neher: Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass wir in der Diskussion auch alle Sorgen und Ängste aufgreifen. Wenn viele Menschen kommen, haben die alle ihre eigene Geschichte und ihre Verletzungen. Sie haben unterschiedliche Vorstellungen von Religion und Religiösität. Das muss man offen ansprechen. Das ist nicht einfach ein Sonntagsspaziergang. Das meinen wir mit "ohne Scheuklappen": Die Themen aufgreifen, konstruktiv damit umgehen. Auch Ängste nehmen, indem man argumentiert, indem man einlädt, Menschen kennenzulernen, die mit ihren unterschiedlichen Geschichten nach Deutschland kommen. Also eine offene Diskussion, ohne all das wegzudrücken, was auch beängstigend und befremdlich sein kann. 

domradio.de: In diesem Jahr ist auch Wahlkampf. Darin werden Flüchtlinge eine ganz entscheidende Rolle spielen. Die Caritas will sich mit der Aktion "Welt-Menschlichkeit" einmischen. Was haben Sie vor?

Neher: Wir sind da noch in ersten Überlegungen. Wir wollen an einzelnen Orten mit eigenen Ständen präsent sein, um mit den Leuten, die vorbeikommen, Diskussionen zu führen. Darüber, was geleistet werden muss, damit Integration möglich ist. Darüber, wie Menschen bei uns Arbeit finden. Darüber, was mit jenen ist, deren Asylgesuch in einem rechtsstaatlichen Verfahren abgelehnt wurde. Wir wollen Sorgen aufgreifen, aber ihnen argumentativ begegnen. Es geht um einen konstruktiven Dialog.

domradio.de: Sie wollen Ihren Mitarbeitern etwas an die Hand geben, wenn sie sich mit rechtspopulistischen Äußerungen außeinandersetzen müssen. Was haben Sie da angedacht?

Neher: Die Caritasverbände in Niedersachsen und in Essen bieten schon jetzt sehr gute Schulungen an, um ganz einfach schwierigen und hitzigen Debatten Stand zu halten und nicht selbst in Polemik zu verfallen. Das ist natürlich sehr schwierig, weil gerade Angst und Sorge emotional sind. Und wie kann man denen argumentativ begegnen, indem man die Ängste aufgreift, sie aber nicht verstärkt? Das muss gelernt sein. 

Wir wollen aber auch zu einer Heimatausstellung einladen, wo die Caritas-Organisationen vor Ort in Zusammenarbeit mit Pfarrgemeinden Menschen, die zu uns gekommen sind, einladen, ihre Geschichten zu erzählen. Im Grunde genommen soll Fremdheit abgebaut werden, indem man sich kennenlernt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR