Warum soziale Arbeit digitaler werden soll

Der Weg der Zukunft

Bilder für Freunde und Fans hochladen, kommentieren und chatten: Das Internet bietet viele Möglichkeiten – auch für soziale Einrichtungen. Die Caritas nutzt die Sozialen Medien und sieht in vielen Bereichen Möglichkeiten für die tägliche Arbeit.

Soziale Medien werden auch in der Altenpflege angewendet. Neue Herausforderungen.  / © Franziska Gabbert (dpa)
Soziale Medien werden auch in der Altenpflege angewendet. Neue Herausforderungen. / © Franziska Gabbert ( dpa )

domradio.de: Frau Jürgens, es soll viel mehr kommen, dass Einrichtungen die sozialen Netze nutzen, oder?

Marianne Jürgens (Caritas Köln): Ich denke, dass die sozialen Netzwerke eine ganz große Chance für die soziale Arbeit sind – ob jetzt für Senioren, Jugendliche oder Menschen mit Behinderung. Das ist der Weg der Zukunft, also das ist das, worüber wir kommunizieren können.

domradio.de: Wie sieht dieser Weg aus?

Jürgens: Nehmen wir als Beispiel die Senioren. In unserer Pflegeeinrichtung gibt es eine Bewohnerin, deren Nichte in den USA lebt. Unsere Sozialarbeiterin in der Pflegeeinrichtung hat sie an das Skypen herangeführt – also Video-Telefonie. Das ist total schön, das mitzuerleben, wie sie Kontakt aufnimmt mit der Nichte, die sie seit Jahrzenten nicht mehr gesehen hat und jetzt plötzlich mit ihr kommunizieren kann. Das ist ein Stück Welt, die sich da öffnet. Ich bin völlig überzeugt, dass wir in der sozialen Arbeit noch mehr tun müssen. Wir ermutigen unser Arbeiter, das strategisch einzusetzen.

domradio.de: Nutzen die älteren Menschen das denn? Sind sie offen dafür oder gibt es da Ängste?

Jürgens: Es gab da schon erst einmal Vorbehalte. Wir haben vor einem Jahr eine Facebook-Seite für das Altenzentrum in Rodenkirchen gegründet. Dann haben die Bewohner auch gesehen, wie schön das ist, wenn da jeden Tag etwas aus dem Leben im Altenzentrum gepostet wird, wenn sie sich selbst sehen können, wenn sie an einem kleinen Interview teilnehmen können. Und so sind sie langsam herangeführt worden. Sie haben da richtig Freude entwickelt. Im Moment sind sie sehr aufgeschlossen und mit Begeisterung dabei.

domradio.de: Und wie kam die Umstellung bei den Mitarbeitern an?

Jürgens: Auch die Mitarbeiter hatten zuerst Vorbehalte, aber das hat sich geändert. Das ist vorbei.

domradio.de: Soziale Betreuung braucht Kompetenz. Werden die Pflegekräfte da zusätzlich geschult?

Jürgens: Wir wählen die Mitarbeiter schon danach aus, dass sie digitale Kompetenz haben. Und diejenigen, die schon da waren, haben wir noch mal besonders geschult. Die Bewohner führen wir schrittweise, wie etwa mit einem geplanten Internetcafé und mit ganz einfachen Möglichkeiten, heran.

domradio.de: Und aus dieser Idee heraus ist ja ein Fachtag entstanden. "Sozial im Netz", zu dem Sie am 24. Januar 2017 ins Kölner KOMED einladen. Er richtet sich an alle Interessierten zu diesem Thema. Herr Professor Münch - für wen ist das was?

Prof. Thomas Münch (Forschungsschwerpunkt Wohlfahrtsverbände der Hochschule Düsseldorf):  Er ist für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der sozialen Arbeit und Pflege geplant. Wir stellen ja tagtäglich fest, wie viel Kompetenz es in den Einrichtungen gibt. Aber wir stoßen auch auf viele offene Fragen.

domradio.de: Welche offenen Fragen sind das zum Beispiel?

Münch: Wie gehe ich damit um? Was darf ich? Was gibt es für Probleme, wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus? Für dieses ganze weite Feld, was sich jetzt neu öffnet, soll der Fach-Tag ein erstes Zusammentreffen der Profis und der Ehrenamtler sein, um zu sehen, wohin wir gehen.

domradio.de: Das Feld "soziale Arbeit" ist unheimlich groß. Welche Bereiche gibt es denn noch?

Münch: Wir haben zum Beispiel eine Untersuchung gemacht und wollten einmal schauen, wie man über Whatsapp Migranten- und Flüchtlingsgruppen betreuen kann. Ich betreue gerade ein Forschungsprojekt im Kölner Süden, wo wir dann merken, wie sinnvoll es ist, Whatsapp-Nachrichten auf Arabisch zu schicken. Wir schauen auch, wie Kids im Jugendzentrum mit den neuen Medien arbeiten. Das ist ein ganz weites Feld. Wir waren vorletzte Woche auf einer Veranstaltung in Bonn, wo man sehen konnte, was es alles gibt. Da beschäftigte man sich zum Beisspiel damit, wie man mit Hate-Speech (Hasskommentaren) umgeht. Wie geht man mit den Alten in einem Seniorenzentrum im Netz um? Was kann man in den Bereichen für Hilfsangebote machen oder Chats online anbieten?

domradio.de: Selbst die Caritas hat mit demThema "Hass-Kommentare" Probleme. Wie gehen Sie damit um?

Jürgens: Wir bekommen natürlich, weil wir uns zum Beispiel sehr stark für die Flüchtlinge einsetzen, immer mal wieder Hasskommentare bei Facebook. Wir versuchen, darauf erst einmal sehr sachlich einzugehen. Wir versuchen, Gegenrede zu führen. Das ist uns sehr wichtig, dass diejenigen, die uns folgen, sehen, dass es Meinungen und Argumente dagegen gibt. Wenn sich die Spirale zu sehr hochschraubt, dann müssen wir solche Kommentare auch ausblenden. Das ist uns gestern passiert. Wir hatten gestern einen endlosen Dialog auf einen Facebook-Post, wo das Gegenüber dann sehr rassistisch und ehrverletzend wurde. Und da ist dann Schluss.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR