Caritas kritisiert die verabschiedete Asylreform

Zu viel Abwehr und Ausgrenzung

Verschärfungen und Erleichterungen: Der Bundestag hat das Asylgesetz-Reformpaket beschlossen und damit ein großes Bündel von Änderungen im Asylrecht verabschiedet. Die Änderung und die Kritik der Caritas im Überblick.

Neues Asylgesetz / © Nietfeld (dpa)
Neues Asylgesetz / © Nietfeld ( dpa )

domradio.de: Nun hat der Bundestag das neue Asylrecht beschlossen, was sagt der Deutsche Caritas-Verband dazu?

Dr. Elke Tießler-Marenda (Referentin für Migration und Integration beim Deutschen Caritasverband): Das Gesetzespaket enthält ja verschiedene Aspekte, auch positive. Es enthält aber aus Aspekte, die auf Abwehr und Ausgrenzung zielen. Das grundsätzliche Anliegen, zu sagen, für die Menschen, die kommen, die Türe offen zu halten und die Asylverfahren zu beschleunigen und Menschen, die voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben, sehr schnell zu integrieren, dass begrüßen wir ausdrücklich. Ebenso die Öffnung des Arbeitsmarktes.

Auf der anderen Seite wird aber ein Asylverfahren nicht beschleunigt, indem Asylsuchende in Zukunft gezwungen sein werden, mindestens ein halbes Jahr lang in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben. Das ist schwierig, wenn Menschen z.B. vom Balkan so lange dort bleiben müssen, dann beginnt sicherlich die Grenze zur Entwürdigung und die Grenze zur Abwehr. Diese Menschen sollen dort bleiben, um ihnen zu zeigen, dass sie hier nichts zu suchen haben, dass sie so schnell wie möglich wieder abgeschoben werden sollen.

domradio.de: Eine Beschleunigung der Verfahren ist also wünschenswert?

Tießler-Marenda: Auf jeden Fall. Momentan warten die Menschen bis zu zwei Jahren, bis über ihr Verfahren eine Entscheidung getroffen wurde. Dieser Schwebezustand ist weder für die Gesellschaft noch für die Menschen gut. Aber nun sollen den Menschen im Verfahren Leistungen gekürzt werden, künftig werden die Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen noch nicht einmal für den persönlichen Bedarf Bargeld bekommen. Von der Fahrkarte bis hin zu intimem Bedarf, alles muss als Sachleistung beantragen werden. Das ist entwürdigend und beschleunigt nebenbei auch kein Asylverfahren.

domradio.de: Halten Sie die Pläne für verfassungskonform?

Tießler-Marenda: Was wir für verfassungswidrig halten sind die Kürzungen für Asylsuchende, deren Gesuch nicht erfolgreich war, oder deren Gesuch gar nicht geprüft wird, weil sie vielleicht schon in einem anderen EU-Staat oder in der Schweiz ein Asylverfahren beantragt haben. Diese Personen müssen künftig mit reinen Sachleistungen deutlich unterhalb des Niveaus des Existenzminimums leben.

domradio.de: Albanien, Montenegro und der Kosovo sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Tießler-Marenda: Die Frage ist bei allen Staaten des Westbalkans, ob dort aktuell Verfolgung stattfindet? Bei den herkömmlichen Kriterien wie Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit sicher nicht. Das europäische Recht hat sicher aber verändert und sagt mittlerweile, Verfolgung kann auch schon dann gegeben sein, wenn sich diskriminierende und ausgrenzende Maßnahmen für die einzelne Person derart ballen, dass es dadurch eine verfolgungsähnliche Auswirkung auf ihre Menschenrechte hat. Und dazu gehören auch soziale Menschenrechte, wie Zugang zur Gesundheitsversorgung, Arbeit und sozialen Leistungen. Da sehen wir insbesondere bei den ethnischen Minderheiten wie die Roma-Minderheit, dass Ausgrenzung stattfindet. Dadurch ist in unseren Augen ein Merkmal von Verfolgung gegeben. Und dadurch würden wir solche Staaten nicht pauschal als sichere Herkunftsstaaten bezeichnen.

Das Interview führt Aurelia Ruetters.


Quelle:
DR