Caritas-Referentin über Flüchtlinge in katholischer Schwangerenberatung

Schutz suchen und Mutter werden

Viele schwangere Flüchtlingsfrauen sind traumatisiert und durch die Flucht in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Deshalb suchen immer mehr von ihnen in Deutschland Hilfe bei den katholischen Schwangerenberatungsstellen. Ein Interview.

Eine Hebamme untersucht eine schwangere Frau (dpa)
Eine Hebamme untersucht eine schwangere Frau / ( dpa )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Frau Fähndrich, hat sich die Zahl der Beratungen in den Schwangerschaftsberatungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) durch die hohen Flüchtlingszahlen erhöht?

Sabine Fähndrich (Referentin für Familie und Generationen beim Deutschen Caritasverband): Genau aufschlüsseln kann ich das natürlich nicht, aber vieles deutet darauf hin. 2014 sind insgesamt 109.000 Ratsuchende in die katholische Schwangerschaftsberatung gekommen. Das waren rund fünf Prozent mehr als 2013. Der Anteil der Migrantinnen ist in der katholischen  Schwangerschaftsberatung traditionell sehr hoch, ungefähr die Hälfte hat einen Migrationshintergrund. Die Zahl der Ratsuchenden aus nicht-europäischen Ländern ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: von 13,1 Prozent auf 14,8 Prozent. Der Anteil derjenigen, die einen Duldungsstatus haben, hat sich von 20,4 Prozent 2012 auf 28,1 Prozent 2014 erhöht.

KNA: Sind darunter auch muslimische Flüchtlingsfrauen?

Fähndrich: Nur knapp ein Drittel der Ratsuchenden ist katholisch, Protestanten machen weniger als 20 Prozent aus. Der Anteil der Klienten mit muslimischer Religionszugehörigkeit ist in den letzten drei Jahren leicht gestiegen und lag 2014 bei 28,3 Prozent.

KNA: Was sind die besonderen Probleme der Flüchtlingsfrauen oder -familien?

Fähndrich: Schwangere Frauen sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe, denn sie suchen Schutz in einem fremden Land und bereiten sich gleichzeitig auf das Leben mit einem (weiteren) Kind vor. Frauen mit Duldung sind wegen des unsicheren Aufenthalts besonders belastet.

KNA: Welche Belastungen sind das konkret?

Fähndrich: Die Situation im Herkunftsland und die Umstände der Flucht führen oft dazu, dass die Frauen traumatisiert und in schlechter gesundheitlicher Verfassung nach Deutschland kommen. Sie haben Angst vor Ausweisung und einer ungewissen Zukunft. Die meisten Frauen bitten um finanzielle Unterstützung, eine Übernahme von Kautionskosten oder Sachleistungen für Babyausstattung und Haushalt sowie um Hilfen bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Sie suchen auch Rat über Themen wie Familienzusammenführung, ärztliche Versorgung und Traumabewältigung.

KNA: Wie steht es um die wirtschaftliche Lage?

Fähndrich: Flüchtlinge, die noch im Asylverfahren sind, und Geduldete erhalten in den ersten 15 Monaten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings 2012 entschieden, dass die darin vorgesehenen Grundleistungen viel zu niedrig und damit verfassungswidrig sind. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, ein menschenwürdiges Existenzminimum der Flüchtlinge zu sichern. Das hat sich aber erst im März dieses Jahres ausgewirkt; bis dahin galt eine Übergangsregelung.

Rückmeldungen aus Beratungsstellen zeigen, dass es 2014 noch keine einheitliche Bewilligungspraxis beispielsweise in Bezug auf einmalige Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt gab. Der Deutsche Caritasverband fordert seit Jahren die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes als Sondergesetz und die Gleichbehandlung der betroffenen Personengruppen.

KNA: Gehen Sie von sich aus auf die Flüchtlinge zu und bieten Hilfen an?

Fähndrich: Die Arbeit mit schutzsuchenden Ausländern und Ausländerinnen stellt uns vor besondere Herausforderungen. Da gibt es fachlich anspruchsvolle Fragen. Zugleich ist es auch für uns oftmals emotional sehr belastend, wenn die Flüchtlinge über ihr schweres Schicksal erzählen. Wir versuchen, zur Stabilisierung der Frauen beizutragen. Wichtig ist, dass es innerhalb der Caritas ein großes Netz von Hilfsangeboten gibt.

KNA: Was meinen Sie damit?

Fähndrich: Wir können zum Beispiel auf den Sachverstand der Migrationsberatung und das Netzwerk Asyl zurückgreifen. In manchen Beratungsstellen wurden englischsprachige Gruppenangebote eingerichtet. Teilweise bieten Beraterinnen Sprechstunden in Asylbewerberunterkünften an. Besonders erfolgreich ist eine Zusammenarbeit mit Hebammen, die vor Ort Fragen zu Schwangerschaft, Geburt, Ernährung und Säuglingspflege beantworten können.

KNA: Gibt es ausreichend Dolmetscher?

Fähndrich: Das ist ein großes Problem, besonders bei der Beratung von arabisch sprechenden Frauen. Die Suche nach geeigneten Dolmetschern und der Aufbau verlässlicher Kooperationsstrukturen binden bei unseren Beraterinnen und Beratern viel Zeit.

 

Das Interview führte Christoph Arens.


Quelle:
KNA