In Frankreich fehlen Unterkünfte für Obdachlose

Auf der Straße droht der Kältetod

In Frankreich leben rund 10.000 Menschen auf der Straße, knapp 500 sterben dort jedes Jahr - und die Notunterkünfte sind im Winter vollkommen überfüllt.

Autor/in:
Nina Schönmeier
Ein Obdachloser in Duisburg (KNA)
Ein Obdachloser in Duisburg / ( KNA )

An diesem Nachmittag ist die Notunterkunft im südfranzösischen Narbonne voll. An der Theke holen sich Obdachlose Kaffee. "Gibt es Baguette?", fragt jemand, ein anderer will Nutella. Mancher kommt in der Notunterkunft vorbei, um zu duschen, Wäsche zu waschen oder sich gebrauchte Kleidung zu holen. Eine Gruppe spielt Schach, Lachen hallt durch das Zimmer.

Nicht genügend Plätze

Wenn es kalt wird, stellen die französischen Behörden zusätzliche Plätze in den Behelfsunterkünften bereit. Laut Gesetz steht jedem Menschen, der eine Notunterkunft benötigt, auch ein Platz zu. Doch die Realität sieht anders aus - die Sozialarbeiter haben längst nicht für alle Platz. Sie kritisieren, dass sie immer mehr Bedürftige abweisen und damit in die Kälte zurückschicken müssen. Anfang Dezember traten sie deshalb sogar in den Streik.

"Die Lage ist katastrophal, wir sind auf der ganzen Linie gescheitert", befindet Christophe Robert, Vize-Direktor der Stiftung Fondation Abbé Pierre, die sich gegen Wohnungsnot einsetzt. "Es gibt Gesetze, die einfach nicht angewandt werden. Der Staat findet immer Ausreden", kritisiert Cécile Rocca, von der Initiative "Die Straßentoten", die jedes Jahr über gestorbene Obdachlose berichtet. Es sei nicht nur die Kälte, die töte, sondern die gesamten Lebensumstände auf der Straße.

Die Kälte macht den Obdachlosen zu schaffen

Nach den jüngsten Zahlen sind im Jahr 2013 in Frankreich rund 450 Obdachlose gestorben. Es handelte sich dabei meist um Männer, das Durchschnittsalter der Verstorbenen lag bei nur 53 Jahren. Die meisten von ihnen hatten vor ihrem Tod etwa zehn Jahre auf der Straße verbracht. Zum Vergleich: In Deutschland zählte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe im vergangenen Winter fünf Todesfälle unter Obdachlosen. Seit 1991 sind demnach mindestens
283 Kältetote zu beklagen.

Um die Menschen von der Straße wegzubringen, umgehen manche Sozialarbeiter die Gesetze. "Wir setzen die Leute nicht am nächsten Morgen wieder an die Luft, wie wir das eigentlich tun müssten", berichtet Jeremy, Sozialarbeiter in Narbonne. "Wir behalten sie drei bis sechs Monate, damit sie sich neu orientieren können." Cécile Rocca hält das für richtig: "Man darf niemanden auf die Straße setzen, solange es keine Lösung für ihn gibt."


Quelle:
epd