In der Ostukraine wächst das Elend der Flüchtlinge

Vom Krieg weggeschwemmt

Das Leid der Menschen in der Ostukraine wird immer größer. Fast eine Million Menschen sind auf der Flucht. Deren Situation ist oft schwierig, denn es fehlt ihnen an ganz alltäglichen Dingen.

Autor/in:
Georg Pulling
In einem Flüchtlingslager (dpa)
In einem Flüchtlingslager / ( dpa )

Der 3. Juli 2014 hat das Leben von Wassiliy für immer verändert. In diesem Moment schlug im Zentrum von Nikolaiwka eine Bombe ein. Sie traf genau den Wohnblock, in dem Wassiliy mit seiner Frau lebte. Elf Bewohner kamen ums Leben, auch seine Frau. „Erst ein paar Tage später haben wir sie unter den Trümmern gefunden“, erzählt der 58-jährige. Der Leichnam sei völlig entstellt gewesen. Er selbst blieb unverletzt, jedengfalls äußerlich.

Oft kommt Wassiliy zu der Stelle, wo einmal sein Wohnhaus stand. Das Loch klafft noch in der Häuserzeile. Nikolaiwka, nahe der Stadt Slowjansk, war nie direktes Kriegsgebiet, die Bombe vermutlich fehlgeleitet. Niemand will sagen, woher sie kam. „Ich kann die Angriffe nicht erklären. Ich kann den Krieg nicht erklären“, sagt Wassiliy.

Den Flüchtlingen fehlt das Notwendigste

Der Krieg kam im vergangenen Sommer nach Slowjansk. Die einstige Hochburg der Separatisten im ostukrainischen Bezirk Donezk wurde allerdings bald von der ukrainischen Armee zurückerobert. Im Zentrum von Slowjansk richtete die Caritas eine Anlaufstelle für Flüchtlinge ein. Rund 1.300 Flüchtlinge habe man bislang registriert, heißt es. Umgerechnet 300 Euro Starthilfe erhalten sie, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen: Nahrung, Kleidung, Hygieneartikel, Medikamente. Darauf sind die Flüchtlinge auch angewiesen, denn es ist schwierig für sie, Arbeit zu finden und sich wieder eine Existenz aufzubauen.

Bis zu 80 Prozent der Kinder aus den Kriegsgebieten seien schwer traumatisiert, erzählt der Präsident der ukrainischen Caritas, Andrij Waskowycz. Mit den Folgen dieses Krieges werde die Ukraine noch lange zu kämpfen haben. Rund 1,3 Millionen Menschen sind bislang vor dem Krieg in der Ostukraine geflohen. Ein Drittel, rund 400.000, sind Kinder. Mehr als 5.000 Todesopfer haben die Auseinandersetzungen laut UN-Angaben gefordert.

Große Solidarität unter den Menschen

Dabei betont Caritaspräsident Waskowycz die große Solidarität der Ukrainer untereinander. Allein in Charkiw, der zweitgrößten Stadt in der Ukraine, lebten derzeit rund 120.000 Binnenflüchtlinge - bei 1,4 Millionen Einwohnern. „Sie sind nicht sichtbar, es ist eine zweite Stadt in der Stadt entstanden“, sagt Waskowycz. Allerdings stoße die Gesellschaft an ihre Grenzen. Hilfe sei notwendig, doch die Staatskasse sei leer.


Quelle:
epd