Jahreskampagne zu demografischem Wandel

Jung, mittelalt und alt gemeinsam

Der Deutsche Caritasverband will in diesem Jahr die Herausforderungen der demografischen Entwicklung anpacken. Unter dem Motto "Stadt-Land-Zukunft" will das Hilfswerk auf die wachsende Überalterung der Bevölkerung eingehen.

Autor/in:
Anna Mertens
 (DR)

Eine türkisfarbene Bank steht im rheinland-pfälzischen Speicher vor dem Rathaus. Daneben ein umklappbares Schild: Richtung Norden oder Süden. Auf der "Mitfahrerbank" können die autolosen der gut 3.500 Dorfbewohner Platz nehmen und motorisierte Mitbürger nehmen sie mit, wenn die Richtung passt. Die spontane "Mitfahrgelegenheit" kommt nach Angaben der Caritas-Westeifel bei Jung und Alt gut an. Für den Deutschen Caritasverband ist das Projekt ein Vorzeigemodell mit Blick auf den demografischen Wandel. Mit der diesjährigen Kampagne "Stadt-Land-Zukunft", die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, möchte das katholische Hilfswerk weitere soziale Initiativen dieser Art fördern. "Hilf mit, den Wandel zu gestalten", lautet der Ansatz.

Das Thema "demografische Entwicklung" sei kein neues, aber leider schon wieder aus dem Blickfeld der Politiker gerutscht, beklagte Caritas-Präsident Peter Neher. Die jüngsten politischen Entscheidungen wie die Rente mit 63 oder das Aussetzen des demografischen Faktors in der Rentenformel seien Belege dafür. Es brauche stattdessen "zukunftsfähige Entscheidungen", die aber kaum in einer Legislaturperiode zu stemmen seien. "Ich habe den Eindruck, dass die Politik in dieser großen Zukunftsfrage so verhalten agiert, weil nicht automatisch mit dem Thema Demografie Wahlen zu gewinnen sind", fügte Neher hinzu.

Vor diesem Hintergrund sei Ziel der Kampagne, das Thema wieder in die Politik und in die Bevölkerung zu tragen. Bereits im Jahr 2060 werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes rund 40 Prozent der deutschen Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Eine zentrale Forderung an die Politik sei, dass sie sich wieder mehr mit dem demografischen Wandel beschäftige, betonte Neher. Er erhoffe sich ähnlich leidenschaftliche Debatten wie etwa bei der Pkw-Maut, fügte der Caritas-Präsident mit einem Lächeln hinzu.

Die zuständige Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit, Barbara Fank-Landkammer, hob hervor, dass es darum gehe, "den Wandel zu gestalten". Daher sei ein wichtiger Teil der Austausch mit der Bevölkerung. Neben dem Infovideo und den Plakaten zur Kampagne sei die Internetseite als Plattform und Ideenforum gedacht. "Es geht nicht darum, dass nur wir uns engagieren", sagte Fank-Landkammer. Natürlich sei die Caritas bundesweit gefragt, sinnvolle Projekte umzusetzen, aber es gehe auch um alternative Projekte und Akteure.

Potenziale erkennen und nutzen

Ein auf der Homepage zu findendes Beispiel ist das "Betreute Wohnen" im baden-württembergischen Eichstätten. Gemeinsam hat eine Bürgergemeinschaft mit professionellen und ehrenamtlichen Kräften die Möglichkeit ins Leben gerufen und führt das Projekt seit Jahren erfolgreich. "Damit jeder im Ort alt werden kann", so das Credo der Bürgergemeinschaft. Fank-Landkammer erklärte, dass vor allem die jungen Rentner "Schlüsselfiguren" seien. Sie hätten das Alter mehr als die Jüngeren vor Augen und seien dennoch fit und agil. Viele hätten zudem Zeit, sich bei ehrenamtlichen Projekten zu engagieren.

"Wichtig ist, die demografische Entwicklung nicht als bedrohliches Zukunftsszenario zu sehen, das man fürchten muss", betonte Neher. Es gehe darum, Potenziale zu erkennen und zu nutzen und sich mit den Veränderungen realistisch auseinanderzusetzen. So müsse vor allem bei der Mobilität, Infrastruktur und der Gesundheitsversorgung auf dem Land auf die älteren Bewohner eingegangen werden. Es brauche flexible Systeme, etwa durch mobile Medizin- und Beratungsdienste, "rollende Supermärkte" oder Sammeltaxen statt eines starren Busplans.

Auch für die lokalen Pfarrgemeinden sind die Veränderungen durch das Wegbrechen des Nachwuchses und die alternde Bevölkerung laut Neher eine Herausforderung. "Den Kirchengemeinden tut es in der Regel gut und entspricht eigentlich auch ihrem Auftrag, wenn sie sich nicht nur auf den Gottesdienst konzentrieren, sondern ein Bewusstsein und eine Sensibilität für die sozialen Fragen vor Ort schärfen und entwickeln", fügte Neher hinzu.


Quelle:
KNA