Caritas Ukraine fordert Sanktionen

Auf blutigen Abwegen

Eine Einigung der Konfliktparteien in der Ukraine ist nun doch nicht zu Stande gekommen. Unterdessen sind die Proteste in Kiew eskaliert. Im domradio fordert der Leiter der Caritas Ukraine, Andrij Waskowycz, Sanktionen.

Schüsse auf dem Maidan (dpa)
Schüsse auf dem Maidan / ( dpa )

Die Konfliktparteien in der Ukraine haben sich auf eine Übergangsregierung, eine Verfassungsänderung bis September sowie vorgezogene Präsidentenwahlen spätestens im Dezember geeinigt. Mehr Details sind noch nicht bekannt. Unterdessen sind die Proteste in Kiew eskaliert. Im domradio spricht der Leiter der Caritas Ukraine, Andrij Waskowycz, von gezielten Kopfschüssen auf Demonstranten. Er fordert Sanktionen.

domradio.de: Sie sind vor Ort in Kiew. Wie haben Sie in den letzten Stunden dort erlebt?

Andrij Waskowycz (Caritasdirektor der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine): Es ist eine sehr sehr angespannte Situation. Die Gewalt ist in den letzten Stunden eskaliert. Es gibt viele Tote, man spricht in der Zwischenzeit von mehr als zehn Toten, die in den letzten fünf Stunden erschossen wurden. Und zwar wurden sie erschossen von Scharfschützen, die scheinbar oben auf den Dächern um den Maidan positioniert waren. Es sind gezielte Kopfschüsse und Schüsse in die Brust.

Die Gewalt ist heute überhaupt eskaliert, sowohl in der ukrainischen Hauptstadt als auch in einigen Städten, in denen es zu Konfrontationen mit Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen ist. Es scheint, dass hier eine geplante Aktion stattfindet, um die Situation in der Ukraine zu destabilisieren. Das kann auch damit zusammenhängen, dass in die Ukraine die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs gekommen sind, um ihnen zu zeigen, dass es hier Gewalt gibt von Seiten der Demonstranten. Man vermutet, dass die Eskalation der Gewalt auch teilweise provoziert wurde durch möglicherweise unter den Demonstranten eingeschleuste Provokateure. Sie haben es zu diesen gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen lassen, um zu beweisen, dass die Situation nicht stabil ist. Um möglicherweise zu begründen, dass man einen Ausnahmenzustand in dem Land verhängen müsste.

domradio.de: Wird es auf dem Maidan wahrgenommen, dass die Außenminister heute ankommen?

Waskowycz: Das wird auf dem Maidan wahrgenommen. Sie hatten Begegnungen mit den Anführern der Opposition, sie hatten scheinbar auch eine Begegnung mit Präsident Janukowitsch, aber welche konkreten Resultate es gibt, das weiß man hier in der Gesellschaft noch nicht. Die Kräfte der Opposition, die Demonstrierenden hoffen alle, dass die EU-Minister sich endlich durchringen, um personenbezogene Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Gewalttaten in der Ukraine einzuführen. Man ist der Ansicht, dass nur solche personenbezogenen Sanktionen eine Wirkung zeigen können. Dass sie die Führung der Ukraine dazu zwingen könnten, in einen Dialog zu treten und Zugeständnisse zu machen, einen Weg freizumachen für eine friedliche Lösung des Konfliktes oder besser gesagt, zurückzukehren zu einem Weg der friedlichen Lösung.

domradio.de: Um welche Sanktionen geht es da?

Waskowycz: Auf zwei Maßnahmen wird vorallen Dingen gesetzt: Das ist das Einreiseverbot oder eine Einreisebegrenzung für Leute, die verantwortlich sind für die Anwendung der Gewalt in der Ukraine, die verantwortlich sind überhaupt für diese Krise in der Ukraine. Das zweite, das kann sogar noch ein stärkeres Mittel sein, das sind die Einfrierungen von Konten der Leute, die verantwortlich sind für die Eskalation der Gewalt. Viele Leute in der ukrainischen Führung haben ihre Gelder auf Konten im Ausland und diese Konten sollten eingefroren werden, so ist die Meinung der Opposition, so ist die Meinung vieler Demonstranten.

domradio.de: Die EU spielt ja eine zentrale Rolle im ukrainischen Konflikt. Die Oppositionellen sind zunächst in Kiew auf die Straße gegangen, weil Präsident Janukowitsch ein geplantes Abkommen mit der EU nicht unterzeichnet hatte. Die EU wird damit ja auch zu einer Partei im Konflikt. Kann sie so überhaupt noch als Vermittler auftreten?

Waskowycz: Ich glaube, dass die EU als Vermittler auftreten kann und ich glaube, dass das auch das große Problem der Außenminister der EU gewesen ist. Sie wollten sich diese Option offenlassen, haben deswegen nicht den Weg der Sanktionen gewählt, um eben als neutraler Vermittler noch auftreten zu können. Die Opposition ist dafür, dass die EU als Vermittler eintritt - allerdings kann diese Funktion natürlich ausfallen, wenn die EU nun Sanktionen einführt. Dennoch: Die Opposition ist dafür, dass die EU personenbezogene Sanktionen gegen die Führung in der Ukraine einführt, die verantwortlich ist für die Eskalation der Gewalt.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR