Fehlendes Geld, ungeduldige Opfer: der Alltag der Hilfswerke

Zwischen den Fronten in Syrien

Der anhaltende Flüchtlingsstrom aus Syrien stellt die Hilfsorganisationen vor fast unlösbare Probleme. Vielen Flüchtlingen fehlen Wasser und sanitäre Anlagen. Ein Besuch in Damaskus.

Autor/in:
Karin Leukefeld
Großer Andrang (KNA)
Großer Andrang / ( KNA )

"Syrien ist ein gesegnetes Land", sagt der Mitarbeiter des Syrischen Arabischen Roten Halbmondes (SARC). "Nach zwei Jahren Krieg ist vieles zerstört, aber die Menschen leben noch und das Leben geht weiter." Seinen Namen möchte der Mann nicht nennen. Offizielle Auskünfte gibt es beim Roten Halbmond nur von zwei Personen: dem Präsidenten Abdul Rahman Attar und Khalid Erksoussi, Koordinator der Nothilfe. Seit Beginn der Unruhen im März 2011 sind sie unermüdlich im Einsatz.

Khalid Erksoussi ist meist im Zentrallager in Damaskus anzutreffen. Dort steht er zwischen Paketen mit Hygieneartikeln und Lebensmitteln. Die Sachen hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nach Syrien geschickt.

30.000 Pakete verteile der Rote Halbmond monatlich allein in Damaskus, sagt Erksoussi. Weil Not und Nachfrage aber größer seien, gebe es Beschwerden. Laut Erksoussi erhält das Zentrallager Unterstützung für zwei Millionen Menschen; aber die Zahl der Bedürftigen ist nach seinen Schätzungen doppelt so hoch. Die Vereinten Nationen sprechen von 4,25 Millionen Binnenvertriebenen. Alle von Not und Krieg in Syrien Betroffene sollen sich auf 10 Millionen summieren.

Drastische Unterfinanzierung

Die Arbeit der UNO und anderer internationaler Hilfsorganisationen in Syrien bleibt drastisch unterfinanziert. Die für 2013 bei einer internationalen Geberkonferenz zugesagten 1,4 Milliarden Dollar (1,06 Milliarden Euro) sind bisher zu 36 Prozent ausbezahlt. Die Bundesregierung stellte 360 Millionen Euro an humanitärer Hilfe bereit. Das Deutsche Rote Kreuz plant für die Syrienhilfe bis Ende 2013 mit rund 10 Millionen Euro. Der Großteil des Geldes kommt nach Angaben von Annette Kohlmeier, Mitarbeiterin des Roten Kreuzes in Damaskus, vom Auswärtigen Amt.

Für Syrien gebe es derzeit die "größte Hilfsoperation weltweit", so Kohlmeier. Das Rote Kreuz organisiere die Anlieferung, Lagerung und Verteilung. Auch die Mietung von Lagerhäusern, Generatoren und Fahrzeugen sowie die Zahlung von Gehältern und die Schulung der Mitarbeiter gehöre zu den Aufgaben, erläutert Kohlmeier. Ziel sei es, die "Menschen in die Lage zu versetzen, dass sie arbeiten können".

Das Rote Kreuz arbeitet nach Kohlmeiers Angaben eng mit dem Roter Halbmond zusammen, der landesweit mit 3.000 Freiwilligen im Einsatz ist. 20 Freiwillige seien getötet worden, andere wurden verschleppt oder verhaftet. Doch die Leute machten weiter und seien trotz der Gefahren hochmotiviert: "Vor den Freiwilligen vor Ort und in Damaskus ziehe ich meinen Hut", sagt Kohlmeier.

Am Eingangstor des zentralen Lagers des Roten Halbmonds in Damaskus warten Frauen. Die einen beschweren sich, dass die Hilfsgüter zu spät kämen, andere schimpfen, sie erhielten überhaupt keine Unterstützung, wieder andere berichten, sie seien von lokalen Hilfsorganisationen abgewiesen worden. Der Registrierungsprozess ist für die Hilfesuchenden oft schwer zu verstehen.

Schwieriger Alltag

Eine in Schwarz gekleidete Frau aus Harasta, einer umkämpften Satellitenstadt von Damaskus, klagt, alles sei teurer geworden, Makkaroni, Käse, Tomaten, Milch, Fleisch. Die Umstehenden stimmen ihr mit lauten Worten zu. Im Fernsehen habe sie gesehen, dass Hilfspakete in großen Mengen eingetroffen seien. "Wo sind die Pakete?", fragt sie. "Warum gibt man sie uns nicht?"

Die Mitarbeiter des Roten Halbmonds kennen diese Fragen. "Manche müssten einige Tage warten, um bei den lokalen Organisationen ihre Hilfspakete zu erhalten", sagt ein Freiwilliger. Stattdessen kämen die Frauen direkt zum zentralen Lager und versuchten die Belegschaft "zu überzeugen", ihnen die Waren direkt auszuhändigen. Manche versuchten es mit einer erfundenen Fluchtgeschichte. Menschlich sei das verständlich. Doch die Regeln sähen keine Ausnahmen vor.

Hinter ihm wird es laut. Ein Kollege wird von einigen Frauen bedrängt, die laut und gleichzeitig auf ihn einreden. Der Helfer schweigt. "Wenn eine Frau uns hier beschimpft, können wir nichts tun. Das verbietet unsere Kultur", sagt der Mitarbeiter. "Jeden Tag gibt es solche Szenen." 


Quelle:
KNA