Deutscher Caritasverband will verbandsinterne Frauenquote

Vorbild für die Wirtschaft

Der Deutsche Caritasverband hat sich bei seiner Delegiertenversammlung in Würzburg für eine Frauenquote von 50 Prozent bei Führungskräften in Unternehmen des katholischen Wohlfahrtsverbandes ausgesprochen.

 (DR)

Eine entsprechende Beschlussempfehlung richtete die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes (DCV) am Donnerstag in Würzburg an ihre Unternehmen. "Unser Ziel ist es, den Frauenanteil in Vorständen, Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien zu erhöhen", sagte der Präsident des katholischen Wohlfahrtsverbandes, Peter Neher. Mit mehr als 500.000 Angestellten ist der katholische Sozialverband der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Allerdings handelt es sich nicht um einen einheitlichen Konzern, sondern um viele selbstständige Unternehmen und Verbände innerhalb der Caritas.



Immerhin seien vier Fünftel der Beschäftigten des katholischen Wohlfahrtsverbandes weiblich, erklärte Neher. In der obersten Vergütungsgruppe liege der Anteil zwischen 42 und 47 Prozent, doch in der ersten Führungsebene nur bei 20 Prozent.



Der Caritas sei zwar bewusst, dass eine Quotenregelung durchaus kritisch zu sehen sei. Sie sei jedoch "das einzige Instrument, wo Sie messen können, was sie erreicht haben." Die Diskussion unter den etwa 160 Delegierten sei zwar kontrovers gewesen, berichtete Neher.

Doch es habe sich gezeigt, dass dort, wo Quotenregelungen eingeführt worden seien, sich mehr bewegt habe als nur durch Aufforderungen.



Eine allgemeine Forderung nach einer Quotenregelung in Wirtschaft und Kirche wollte Neher nicht stellen. Anstatt auf andere zu zeigen, sei zunächst sei eine selbstkritische Bestandsaufnahme gefragt. "Ich weiß, wo wir selber zurückbleiben", so der Präsident. Gelinge jedoch mit der Regelung nun ein Fortschritt, werde die Caritas "selbstredend ein Beispiel" sein.



Die Delegierten beschlossen außerdem eine wissenschaftliche Untersuchung. Sie soll Aufschluss geben über die speziellen Hemmnisse, die bei der Caritas dafür sorgen, dass Frauen in der Führung unterrepräsentiert seien. Aus dem Ergebnis sollen Empfehlungen für die Unternehmen des Verbands erstellt werden. Bereits die im Oktober 2008 vom DCV verabschiedeten "Leitlinien für unternehmerisches Handeln" sahen vor, eine Frauenquote von 50 Prozent bei den Führungskräften zu erreichen.



Freiwilligendienste zusammenlegen

Die Caritas hat sich zudem für eine mittelfristige Zusammenlegung des Freiwilligen Sozialen und Ökologischen Jahres (FSJ/FÖJ) mit dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) ausgesprochen. Dieser Zusammenschluss müsse in der "Verantwortung der Zivilgesellschaft" stehen und sich somit mehr am FSJ orientieren, sagte Neher. Beide Dienste unterschieden sich objektiv in ihren Tätigkeiten nicht. Daher gebe es keinen Grund, die Aufsplittung aufrecht zu erhalten.



Neher unterstrich, dass die Förderung des freiwilligen Engagements, die Gewinnung und Begleitung von Freiwilligen sowie die Ausgestaltung der Angebote originäre Aufgaben der Zivilgesellschaft und nicht des Staates seien. Es habe keinen Sinn, "ein Bundesamt für zivilgesellschaftliches Engagement" zu schaffen, erklärte der Präsident.



Im Bundesfamilienministerium seien zwischenzeitlich die Zuständigkeiten für beide Dienste gebündelt worden. Es sei geplant, dies auch in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes entsprechend zu organisieren. Die mit dem Familienministerium bis Ende Oktober vereinbarten 8.000 bis 10.000 Bundesfreiwilligen konnten die Wohlfahrtsverbände gewinnen, wie Neher weiter mitteilte. Allein im katholischen Bereich seien bis Mitte des Monats mehr als

3.500 Vereinbarungen für den neuen Dienst geschlossen werden. Mehr als 10 Prozent der Freiwilligen seien älter als 27 Jahre.



Solidarsysteme in der Eurokrise nicht vergessen

Angesichts der Euro- und Finanzkrise fordert Caritasverband eine breite gesellschaftliche Debatte über die Solidarsysteme gefordert. Die zusätzliche Verschuldung werde sich in den kommenden Jahrzehnten deutlich auf die Handlungsfähigkeit und die soziale Verantwortung des Staates auswirken, sagte Neher. Der Wohlfahrtsverband werde Fehlentscheidungen beim Namen nennen, aber auch Lösungen anbieten. "Nur immer Krawall machen und dagegen sein, das nützt sich irgendwann ab."



Generalsekretär Georg Cremer äußerte Verständnis für die weltweiten Proteste gegen Banken. Darin manifestiere sich nicht nur das Unbehagen über die Rettungspläne, sondern auch eine Kritik.

Strukturelle Reformen, um Krisen in Zukunft zu verhindern, würden nur zögerlich umgesetzt. Es gebe bei den Menschen das Gefühl, Politiker und Banken würden sich erneut darauf verlassen, "dass sie irgendjemand wieder rauspaukt", erklärte Cremer.



Neher unterstrich, die momentane Schuldenkrise und die Stabilisierung von gefährdeten EU-Ländern und Banken seien auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. "Ich kann nur hoffen, dass sich auch in Zukunft zeigen wird, dass unser Land wirtschaftliche Krisen durch sein soziales Netz so bewältigen kann, dass Menschen in existenziellen Nöten noch gehalten werden."



In den kommenden drei Jahren will sich die Caritas unter dem Motto "Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt" in die Debatte um die sozialen Sicherungssysteme verstärkt einmischen. Diese müssten nachhaltig und ausreichend sein, damit niemand in der Gesellschaft ausgeschlossen werde. Auch den Menschen müsse Teilhabe ermöglicht werden, die auf besondere Unterstützung angewiesen seien. "Tendenzen der Entsolidarisierung, die sich aus einer wachsenden Unsicherheit oder aus Zukunftsängsten der Mitte der Bevölkerung ergeben können, muss entgegengewirkt werden", sagte Neher nach der Delegiertenversammlung.



Zugleich müsse aber jeder Mensch Eigenverantwortung übernehmen, erklärte der Präsident weiter. Der Sozialstaat sei sogar darauf angewiesen. Doch erst wenn Menschen sich bis zu einem gewissen Grad abgesichert wüssten, seien sie bereit, sich außerhalb des eigenen sozialen Nahraums zu engagieren. "Soziale Sicherheit ist damit sogar eine Voraussetzung für freiwilliges Engagement", sagte Neher. Deshalb dürften Sozialstaat und die freiwillige Solidarität nicht gegeneinander ausgespielt werden.