Caritas weist Ver.di-Vorwürfe gegen Kirchen-Arbeitsrecht zurück

Streit um den "Dritten Weg"

Der Deutsche Caritasverband hat Vorwürfe des Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, entschieden zurückgewiesen. Zu behaupten, der "Dritte Weg" im Arbeitsrecht stelle einen Verfassungsbruch dar, sei Unsinn, sagte Caritas-Präsident Prälat Dr. Peter Neher domradio.de.

 (DR)

Bsirske hatte das Streikverbot im kirchlichen Arbeitsrecht unter anderem als "vordemokratisch" bezeichnet. Der in Berlin erscheinenden Zeitung "Die Welt" sagte er: "Diakonie und Caritas behaupten, sie hätten eigene Souveränitätsrechte, so dass ihre 1,2 Millionen Beschäftigen niemals streiken dürften. Das ist vordemokratisch. Der "Dritte Weg" ist aus meiner Sicht ein Verfassungsbruch und macht 1,2 Millionen Beschäftige zu Beschäftigten zweiter Klasse." Diakonische Träger wollten sich "Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Anbietern verschaffen, indem sie so tun, als dürften sie darüber befinden, ob Gesetze und verfassungsrechtlich verbürgte Grundrechte wie das Recht auf Tarifverträge oder auf Streiks Anwendung auf die bei ihnen Beschäftigten finden oder nicht", so Bsirske.



Dagegen sagte Neher, das kirchliche Arbeitsrecht sehe vor, dass in paritätisch besetzten Kommissionen Dienstnehmer und Dienstgeber nach einvernehmlichen Lösungen suchen: "Jede Entscheidung muss mit einer 75-prozentigen Mehrheit zwischen Dienstgeber- und Dienstnehmerseite getroffen werden". Dies garantiere, dass alle Interessen angemessen berücksichtigt werden. Artikel 140 des Grundgesetzes regele das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als besondere Form der kollektiven Religionsfreiheit. Dabei handele es sich nicht um eine ungerechtfertigte Privilegierung sondern entspreche der hervorgehobenen Stellung der beiden christlichen Kirchen in der Bundesrepublik. Zu behaupten, der "Dritte Weg" stelle einen Verfassungsbruch dar, sei Unsinn, so Neher.



Positives gesellschaftliches Beispiel

Das kirchliche Arbeitsrecht sei nicht nur eine vollwertige Alternative zu anderen Wegen im Arbeitsrecht, sondern könne sogar als "positives gesellschaftliches Beispiel" gesehen werden.



Bsirkse hatte sich auch gegen zunehmende Leiharbeit und die Ausgründung einzelner Arbeitsbereiche ins Privatgewerbe bei Diakonie und Caritas ausgesprochen. Dazu sagte Neher, die Leiharbeit spiele in den Einrichtungen und Diensten der Caritas keine

zentrale Rolle. Die überwältigende Zahl Caritas-Arbeitgeber sei im Tarif und im System der Tariffindung.



Der Deutsche Caritasverband hatte im Jahr 2007 Tarifpolitische Leitlinien verabschiedet, die

Ausgründungen aus tarifpolitischen Gründen als nicht zulässig erklären. In der Frage der Leiharbeit hat die katholische Kirche ihr Mitarbeitervertretungsrecht in der Weise

geändert, dass kirchliche Mitarbeitervertretungen eine Leiharbeit von mehr als sechs Monaten ablehnen können. Dieses Recht geht über das Betriebsverfassungsrecht der Betriebsräte hinaus.



Der EKD-Beauftragte bei der Bundesregierung, Bernhard Felmberg, sagte zu dem Thema der "Welt", die Kirche nehme wahr, dass "auch viele den Kirchen durchaus gewogene Politiker in jüngster Zeit deutliche Ausrufezeichen dort gesetzt haben, wo durch Ausgründungen oder Leiharbeit einzelne diakonische Träger das Prinzip der Dienstgemeinschaft infrage gestellt haben". Das Diakonische Werk der EKD sei entschlossen, "solchen Wildwuchs zu beenden". Zugleich stellte er sich hinter den Dritten Weg. Er funktioniere "in der verfassten Kirche und in der Mehrheit diakonischer Einrichtung außerordentlich gut und wird auch von den kirchlichen Mitarbeitern geschätzt und getragen".



Auch Politik kritisiert Kirchen

Auf den Streit übers kirchliche Arbeitsrecht reagieren nun auch die Bundestagsfraktionen. Im Gespräch mit der "Welt" betonte Siegmund Ehrmann, religionspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dass seine Partei "der Möglichkeit des Dritten Wegs ausdrücklich positiv gegenübersteht". Doch frage er sich, "ob der Dritte Weg noch gerechtfertigt ist und ob die Voraussetzungen des Dienstgemeinschaftsprinzips gelebte Realität sind", wenn Leiharbeiter eingesetzt und einzelne Arbeitsbereiche diakonischer Einrichtungen in privatgewerbliche Service-Gesellschaften umgewandelt würden.



Der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, sieht einen Widerspruch, wenn die Spitzen von Diakonie und Caritas gegen Lohndumping oder Leiharbeit protestieren, aber dies in den eigenen Verbänden praktizieren würden. Maria Flachsbarth von der CDU mahnte, die Kirchen stellten hohe Ansprüche an sich und müssten sie auch ernst nehmen. Das sollten sie aber zunächst intern diskutieren.



Für die Grünen kritisierte der religionspolitischer Sprecher Josef Winkler, dass bei der katholischen Caritas offene Homosexualität und die Wiederverheiratung Geschiedener Kündigungsgründe sein können: "In allen kirchlichen Anstellungsverhältnissen, die nicht direkt der Verkündigung dienen, sollte die Kirche die Diskriminierung jener Mitarbeiter beenden, die nicht nach den Ehe- und Sexualvorschriften der Kirche leben."