Caritas kritisiert Berlin für Umsetzung des EU-Jahrs gegen Armut

Außer Symbolpolitik nichts gewesen

2010 sollte das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung ausgerufen werden – und wurde es doch nur bedingt, so das Ergebnis einer Caritas-Studie im Erzbistum Köln. Eine Abrechnung mit der Bundesregierung.

 (DR)

domradio.de: Warum war das Jahr nur Symbolpolitik?

Hofmann: Es ging darum, eine Forderung der Europäischen Kommission zu erfüllen, das wurde deutlich: Man wollte eben für Armut sensibilisieren. Und dabei ist es eigentlich auch geblieben. Man hat nicht miteinander überlegt, welche Strategien möglich und umsetzbar sind, damit sich an den Rahmenbedingungen, unter denen Armut entstehen kann, etwas ändert.



domradio.de: Aber es gab Leuchtturmprojekte...

Hofmann: ...zum Beispiel hat man sich eine Schule in einem sozialen Brennpunkt angeschaut und mit den Kindern vor Ort gearbeitet. Die hatten sicherlich in diesem Moment das Gefühl, sehr wertgeschätzt zu werden. Aber an der Wohnsituation der Kinder an sich, über die auch gesprochen wurde, hat sich ja nichts geändert. Und es wurde auch kein Geld gegeben, damit sich in der Umgebung der Kinder etwas ändert.



domradio.de: Sie kritisieren vor allem Deutschland. Waren andere europäische Länder erfolgreicher in dem Jahr?

Hofmann: Bei der Abschlussveranstaltung in Brüssel haben viele Länder ihre Projekt ausgestellt. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es dort mehr gebracht hat, außer sich selber auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Schaut, was wir alles gegen Armut tun! Denn im letzten Jahr ist ja auch die EU-20-20-Strategie verabschiedet worden. Und da ist es auch nicht gelungen, ganz klare Indikatoren, wie man Armut verhindern kann, zu verabschieden. Sondern es ist lediglich lapidar gesagt worden: 20 Millionen Arme soll es im Jahr 2020 weniger geben. Wie das erreicht werden soll? Da hat die Bundesregierung nur gesagt, es reicht die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Aber das ist viel zu wenig!



domradio.de: Also sind solche EU-Jahre grundsätzlich fragwürdig?

Hofmann: Wenn sie nur Symbolcharakter haben und nur dazu dienen, Geld für Aktionen ausgibt, dann ist es zu wenig. Wenn man sie nutzt, dazu ein Jahr lang mal intensiv darüber nachzudenken und auch versucht eine Strategie festzulegen, dann hätten Europäische Jahre viel mehr Bedeutung.



domradio.de: Was fordert die Caritas, um der sozialen Spaltung zu begegnen?

Hofmann: Der Caritas geht es immer darum, bei den Kindern anzusetzen, also möglichst früh, präventiv tätig zu werden: Familien besuchen und unterstützen, Kindern im weiteren Verlauf ermöglichen, einen Schulabschluss zu machen, um dann in einen Beruf zu kommen. Es geht darum, Präventionsketten aufzubauen - und die dann stabil zu finanzieren.



Zur Person: Michaela Hofmann ist Expertin für Armutsfragen beim Diözesan-Caritasverband und Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz.



Das Gespräch für domradio.de führte Pia Klinkhammer.