Caritas-Kritik an Arbeitsmarktgesetz

Fördern statt Abschreiben

Das "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" beschäftigte heute den Bundesrat. Das Vorhaben ist umstritten – auch weil es den Bedürfnissen vieler Langzeitarbeitsloser nicht gerecht werde, kritisiert im domradio.de-Interview Frank Hensel, Direktor des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln.

 (DR)

"Die Reformvorhaben greifen kurz und hängen ab", erklärte Hensel  in dem Gespräch am Freitag (08.07.2011), "weil Menschen mit gravierenden sozialen Problemen etwa nach einer Haftentlassung, einer Suchterkrankung oder bei Überschuldung den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt oft nicht schaffen." Deshalb müsse ganz ausdrücklich auch die soziale Teilhabe als ein wichtiges Ziel im Gesetz festgeschrieben werden. "Die Caritas hält daran fest, dass jeder Mensch ein Recht auf Arbeit hat. Deshalb stehen wir zu dem sozialpolitischen Anspruch auf Förderung und Beschäftigung für die besonders Benachteiligten. Wo der reguläre Arbeitsmarkt dies nicht sicherstellen kann, müssen in begründeten Fällen auch längerfristige Hilfen in einem sozialen Arbeitsmarkt möglich sein", so Hensel.



Die Caritas schlägt deshalb vor, die öffentlich geförderte Beschäftigung deutlicher auf besonders arbeitsmarktferne Menschen zu konzentrieren. "Eine geförderte Beschäftigung für eine klar umschriebene Gruppe von bundesweit rund 500.000 Menschen mit massiven Vermittlungshemmnissen ist keine Bedrohung für Wirtschaft und Wettbewerb. Sie sichert vielmehr gesellschaftliche Teilhabe und Lebensperspektiven für besonders Benachteiligte und dient gleichzeitig dem sozialen Frieden", betont Hensel. Entscheidungen über einen effektiven Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente sollten im Übrigen am Einzelfall orientiert und dezentral getroffen werden. Wenn die Bundesregierung die Handlungsspielräume der Jobcenter vor Ort erweitern wolle, dürfe sie diesem Ziel nicht mit rigiden Kürzungsplänen zuwider handeln.



"Wir dürfen diese Menschen nicht einfach abschreiben"

"Die Caritas hat in den vergangenen Jahren Modelle für einen sozialen Arbeitsmarkt der Zukunft entwickelt, in denen Menschen, die der sogenannte erste Arbeitsmarkt nicht will, Förderung und Beschäftigung finden", so Hensel. "Wir dürfen diese Menschen nicht einfach abschreiben. Ich appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen im Bund und in den Ländern, wichtige Projekte der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände für unsere Langzeitarbeitslosen nicht kaputt zu sparen."



Der Bundestag hatte vergangene Woche in erster Lesung über einen Gesetzentwurf beraten, mit dem die Regierung aus ihrer Sicht eine effizientere Eingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt erreichen will. Geplant sind unter anderem Änderungen beim Gründungszuschuss sowie Einschränkungen bei den Ein-Euro-Jobs.