Ein Abschied vom Zivildienst würde vielen jungen Männern wichtige Erfahrungen nehmen

"Das Ende ist schwierig"

Mit der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)
angestrebten Aussetzung der Wehrpflicht steht automatisch auch der
Zivildienst in bisheriger Form vor dem Aus. Rita Welther vom Caritasverband für das Bistum Erfurt befürchtet domradio.de-Interview, dass dann viele junge Männer für den Pflegeberuf verloren gingen.

 (DR)

domradio.de: Der Streit um die Zukunft der Bundeswehr löst eine heftige Debatte um den Sinn des Zivildienstes aus. Wirtschaftswissenschaftler fordern ein Ende des Zivildienstes. Was halten sie davon?
Rita Welther: Grundsätzlich finde ich es schade, dass der Zivildienst zu Ende geht, denn das war ja ein sozialer Lernort für Jugendliche und vor allem für junge Männer, die den sozialen Bereich kennengelernt haben und sich dann oftmals auch ehrenamtlich oder mit einer Ausbildung dafür entschieden haben.

domradio.de: Welche Konsequenzen würde ein Ende des Zivildienstes für die Sozialverbände, etwa für den Caritasverband, bedeuten?
Rita Welther: Das Ende ist schwierig. Es ist auch schade. Aber trotzdem versucht der Caritasverband - weil das ja auch schon eine ganze Weile diskutiert wird - diesen sozialen Lernort weiter auszubauen, den Freiwilligendienst zu verstärken. Der wurde ja schon erweitert. Und das ist unsere Richtung - den Jugendlichen und auch den Einrichtungen diese Möglichkeit zu geben.

domradio.de: Der Direktor am Max-Planck-Institut, Konrad, hat in der "Welt am Sonntag" den Ersatzdienst als Vergeudung von Talenten und Vernichtung von Jobs bezeichnet? Sie sehen eher Vorteile für junge Männer. Warum?
Rita Welther: Weil damit die Möglichkeit, Jugendliche in den sozialen Bereich zu bekommen, gegeben ist und Jugendliche auch oft festgestellt haben, dass sie Talente haben, die sie vorher gar nicht vermutet hätten, über die sie gar nicht nachgedacht hätten. Und Vergeudung kann ich das überhaupt nicht nennen. Im Gegenteil, das sind ganz wertvolle Erfahrungen für die jungen Menschen.

domradio.de: Ein weiteres Argument gegen den Zivildienst ist, dass Krankenhäuser und Altersheime den echten Preis für alle Arbeitskräfte zahlen sollen, die sie benötigen. Wenn Sie die Qualität, etwa in der Pflege, halten wollen und Zivildienst jetzt abgeschafft werden würde, was wäre denn die Konsequenz?
Rita Welther: Die Konsequenz ist, dass wir, wenn wir die Qualität halten wollen, und das ist unser Anspruch, im katholischen Trägerbereich, aber auch bei den anderen Trägern, mehr Personal einzustellen. Das bedeutet auch, diese im Pflegebereich anders berechnen zu lassen, und damit erhöhen sich auch die Preise im Pflegesatz, sowohl in der Altenpflege als auch in Krankenhäusern.

domradio.de: Das Familienministerium prüft derzeit verschiedene Szenarien. Etwa, dass das Angebot an freiwilligen sozialen Diensten massiv ausgebaut werden müsse, wenn der Zivildienst tatsächlich wegfällt. Was wäre dann für das Freiwillige Soziale Jahr wichtig, also wie müsste es künftig verstärkt oder ausgerüstet werden?
Rita Welther: Wir würden sehr stark für den Ausbau der freiwilligen Dienste eintreten. Und wir sind auch überzeugt, dass es in den zivilgesellschaftlichen Strukturen, mit dem Know-How der Caritas oder den katholischen Trägern, oder auch aller anderen Träger, gut möglich ist, den Jugenddienst gut auszugestalten. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, so dass die Jugendlichen auch weiter versichert sind, dass klar ist, was alles möglich ist im Freiwilligendienst, ähnlich, wie das jetzt im FSJ der Fall ist. Aber auch die Rahmenbedingungen für die pädagogische Begleitung und die Unterstützung von Jugendeinrichtungen, die sich das sonst finanziell nicht leisten können, müssen gesichert werden. Da benötigen wir Förderung.

domradio.de: Vielleicht sagen Sie noch mal aus ihrer Erfahrung, welchen Wert Zivildienstleistende tatsächlich für Sie in den sozialen Einrichtungen haben?
Rita Welther: Wir verzichten nicht gerne auf die jungen Menschen, die jungen Schwung in die Einrichtungen bringen, die mit älteren oder auch mit kranken Menschen konfrontiert werden und dann auf einmal feststellen, dass sie die Ressourcen haben, um schon fertige Ausbildungen umzulenken in einen sozialen Beruf oder den pädagogischen Bereich. Auch im erzieherischen Bereich habe ich gute Erfahrungen gemacht mit jungen Männern. Aber auch im sozialen Bereich, im Pflegerischen, brauchen wir junge Männer und vielleicht denken sonst die jungen Männer, oder die jungen Menschen, nicht so darüber nach. Ich fände es gut, wenn dieser Freiwilligendienst in der Ausbildung, im Studium, hohe Anerkennung findet, wenn die Qualität gegeben ist bei den Trägern. Und davon gehe ich aus.