Der Deutsche Caritasverband begrüßt die Idee einer Bildungschipkarte

"Ein sinnvolles Instrument"

Das umstrittene Modell von Bildungschips für Kinder aus sozial schwachen Familien sorgt weiter für Gesprächsstoff. Im Interview mit domradio.de spricht sich nun der Deutsche Caritasverband für die Idee von Bundessozialministerin von der Leyen aus.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

"Ein sinnvolles Instrument, benachteiligten Kindern die Teilnahme an Musikschulen und Sportvereinen zu ermöglichen", betonte Generalsekretär Georg Cremer am Mittwochmorgen (18.08.2010).

Die Chipkarte wirke wie ein ergänzendes persönliches Budget, das arme Familien zweckgebunden für Teilhabeleistungen verwenden können. "Richtig umgesetzt, bevormundet sie arme Familien nicht, sondern erweitert ihre Entscheidungsmöglichkeiten.", so Cremer.

Reaktion auf BGH-Urteil
Die Chipkarten sollen Kindern von "Hartz IV"-Empfängern Zugang etwa zu Musikunterricht und Sportvereinen sowie zu Schwimmbad- oder Museumsbesuchen ermöglichen. Von der Leyen reagiert mit ihren Plänen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu "Hartz IV". Die Karlsruher Richter hatten im Februar angeordnet, dass die verfassungswidrigen "Hartz IV"-Regelsätze für Erwachsene und Kinder bis Ende des Jahres neu berechnet werden müssen. Dazu brachte die Ministerin die Förderung der betroffenen Kinder über Bildungsgutscheine, Sozialpässe oder Ermäßigungskarten ins Gespräch - und verwies dabei auf "kluge, elektronische Systeme" wie etwa in Stuttgart.

Dort erhalten einem Sprecher der Stadt zufolge Kinder unter 16 Jahren aus Familien mit einem Jahreseinkommen von weniger als 60 000 Euro die Familiencard. Familien mit vier und mehr Kindern bekommen sie unabhängig vom Einkommen. Auf der Karte seien mehrere "Geld-Börsen" enthalten, die zweckbestimmt mit Guthaben aufgefüllt werden können. So könne ein für den Nachhilfeunterricht bestimmtes Guthaben auch nur dafür verwendet werden. Die Karte wird dem Sprecher zufolge jährlich mit einem Guthaben von 60 Euro aufgeladen. 2009 seien mit der Familiencard 3,7 Millionen Euro umgesetzt worden. Derzeit seien 43 000 Karten im Umlauf.

Ablehnung und Zustimmung
Ablehnung kommt aus Bayern. Sozialministerin Christine Haderthauer warnte, es dürfe keine "Kinder erster und zweiter Klasse geben". Auch die Gewerkschaften sehen die Chipkarten eher kritisch. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach befürchtet, "dass mit dem Bildungschip ein System aufgebaut wird, das zur Stigmatisierung der Kinder von "Hartz IV"-Beziehern führt." Der DGB lehne Sachleistungen nicht per se ab. Sie dürften die betreffenden Gruppen allerdings nicht stigmatisieren. Ganztagsschulen statt Chipkarten fordert Grünen-Chef Cem Özdemir. Wer die Bildungschancen von Arbeiter- und Migrantenkindern fördern wolle, müsse sich auf den Ausbau der Infrastruktur konzentrieren und vor Ort Angebote schaffen.

Mit Zustimmung haben hingegen Regierung und Kommunen in Niedersachsen auf die Bildungschip-Pläne reagiert. "Wenn Kinder in Vereinen aktiv sind und kulturell teilhaben, ist das eine Bereicherung für unsere Gesellschaft von heute und morgen", erklärte Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU).