Die geplante Kürzung des Zivildienstes und die Folgen für die sozialen Dienste

Die Seele im Betrieb

Die geplante Kürzung des Zivildiensts von neun auf sechs Monate stößt auf breite Kritik der Wohlfahrtsverbände. Das Deutsche Rote Kreuz spricht von einer "Katastrophe für HIlfe- und Pflegebedürftige". Auch Dr. Frank Johannes Hensel, Diözesan-Caritas-Direktor im Erzbistum Köln, bedauert im domradio-Interview die Kürzung, relativiert aber - zumindest für seinen Verband - die Folgen.

 (DR)

domradio: Wenn der Zivildienst auf sechs Monate verkürzt wird: welche Lücken tun sich da in den karitativen Pflegediensten auf und wie wirken Sie dem entgegen?
Hensel: Ich möchte das einmal für das Erzbistum Köln verdeutlichen: Wenn bei uns in über 2.000 Einrichtungen und Diensten über 50.000  hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten und dazu 1100 Zivildienstleistende kommen, wird deutlich, dass jetzt nicht die Arbeit auf den ZdLern ruht. Sie sind eine ganz wichtige Ergänzung, stellen aber nicht die Grundversorgung sicher. Wenn der Zivildienst wegfiele, steht also kein Zusammenbruch ins Haus. Es fehlt aber sicherlich die Seele im Betrieb, an vielen Stellen, in den Krankenhäusern, Altersheimen, Jugendhilfeeinrichtungen, etc. Aber man kann es jetzt nicht so dramatisch schildern, als ob wir ohne ZdL nicht mehr arbeiten könnten. Da wo wir ihre Arbeit ersetzen müssten durch Tarifkräfte, würde es aber ohne Frage teurer werden.

domradio: Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen erklärt, jede Zivildienststelle könne kostenneutral sowohl durch Freiwillige als auch durch tarifliche Pflegekräfte ersetzt werden. Wie ist das möglich?
Hensel: Beides geht nicht. Wenn man die Stellen durch Freiwillige ersetzt bekommen würde, dann wäre es nicht teurer. Honorarkräfte wären wie gesagt natürlich teurer. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die ZdL an verantwortlicher Stelle beschäftigt sind. Das ist bei uns in der Regel nicht der Fall, sie werden arbeitsplatzneutral eingesetzt. Ausnahmen sind der Einsatz im Rettungsdienst und die Schwerstbehindertenbetreuung.

domradio: Wenn der Zivildienst zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt gekürzt wird, ergibt sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der sozialen Tätigkeit. Stößt das "Unternehmen Zivildienst" dann generell an seine Grenzen?
Hensel: Der Charkter des ZdL ändert sich natürlich, wenn man ihn immer weiter einkürzt. Komplexere Tätigkeiten, bei denen auch ein größerer Ausbildungsanteil nötig ist, werden dann nicht mehr möglich sein. Es wird sich hin zu einfacheren Hilfstätigkeiten verschieben. Es werden also z.B. Einsätze im Rettungsdienst und in der Schwerstbhindertenbetreuung zunehmend nicht mehr mit Zivildienstleistungen besetzt. Dadurch wird dieses Feld natürlich unattraktiver. Wichtig ist ja eigentlich, junge Männer "sozial zu berühren" und auf diese Weise auch für einen sozialen Beruf zu gewinnen an der einen oder anderen Stelle.