Caritas für Verbleib der Bundeswehr - "tragfähige Wirtschaftskonzepte"

"Afghanistan braucht Soldaten"

Freitag entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Seit Beginn der jüngsten Taliban-Offensive hat sich die Situation besonders im Süden Afghanistans verschärft. Die Caritas fordert auf Grund der instabilen Lage einen Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan. Ziviler Aufbau und militärische Arbeit müssten aber getrennt werden.

 (DR)

Soldaten hätten eine wichtige Aufgabe in der Friedens- und Stabilitätssicherung. Der zivile Aufbau solle allerdings den Hilfswerken überlassen werden. Die Hilfsorganisationen ständen auch noch nicht im Focus der radikalen Kräfte und hätten jahrelange Erfahrung im Land, erläutert der Afghanistan-Experte der Caritas, Thorsten Hinz im domradio-Interview.

Das Primat der militärischen Konfliktlösung müsse durch verstärkte zivile Aufbauhilfe abgelöst werden, forderte der Verband Entwicklungspolitik (VENRO), dem hundert kirchliche und private Organisationen angehören, am Montag in Berlin. Im Mittelpunkt müsse dabei die Verbesserung der Lage der Zivilbevölkerung stehen, sagte der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Lieser.

Frieden könne nur von innen gelingen, betonte er. Deshalb müsse die US-geführte Militäroperation "Enduring Freedom" so schnell wie möglich eingestellt werden. Stattdessen sollte der Wiederaufbau von unabhängigen afghanischen Militär- und Polizeiverbänden forciert werden. Zugleich sprachen sich die Organisationen jedoch für eine weitere Präsenz der internationalen Schutztruppe ISAF aus.

"Niemand fordert einen unmittelbaren Abzug der ISAF-Truppen", sagte der Geschäftsführer von medico international, Thomas Gebauer. Allerdings müsse sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass sich die sozialen Nöte der Menschen nur durch die Entwicklung tragfähiger Wirtschaftskonzepte für das Land lösen ließen. Notwendig sei ein "Marshallplan", mit dem der Bevölkerung neue Lebensperspektiven eröffnet werden könnten.

Thorsten Hinz von Caritas International verlangte eine strikte Trennung von Militäreinsätzen und Entwicklungsprojekten. Humanitäre Hilfe dürfe nicht länger für militärische Zwecke missbraucht werden, betonte er. Die Organisationen kritisierten insbesondere Konzepte, bei denen staatliche Entwicklungshelfer eng mit der Bundeswehr zusammenarbeiten. Dies führe dazu, dass zivile Hilfe zunehmend nach militärischen Erfordernissen ausgerichtet werde und Hilfsorganisationen das Vertrauen der Menschen in ihre Neutralität verlören.

Der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuss, forderte mehr Respekt für die Werte der afghanischen Gesellschaft und eine Stärkung der Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren.

Ende September hatte der UN-Sicherheitsrat in New York das Mandat für die ISAF-Friedenstruppe um ein Jahr verlängert. Im Bundestag steht die Abstimmung über eine Verlängerung der deutschen Beteiligung am Freitag an. Das Bundeskabinett hat bereits eine Zusammenlegung der Mandate für den deutschen ISAF- und den Tornado-Einsatz beschlossen.

Eine stärkere Beteiligung von Frauen am Wiederaufbau in Afghanistan forderten die Hilfsorganisationen Terre des Femmes und medica mondiale. Nach fünf Jahren internationaler Unterstützung seien Frauen in dem Land immer noch von elementaren Rechten ausgeschlossen, hieß es. Viele lebten unter katastrophalen und unerträglichen Bedingungen.

Unter dem ISAF-Kommando sind 3.000 deutsche Soldaten in Afghanistan einsetzbar. Bis zu 500 weitere können für die Tornado-Mission tätig sein. Über die weitere deutsche Beteiligung an der "Operation Enduring Freedom" soll im November entschieden werden. Dazu gehören bis zu 100 deutsche Elitesoldaten in Afghanistan sowie ein Fregatteneinsatz am Horn von Afrika.