Diskussion um Serviceorientierung von Gemeinden

"Kirche, die nicht erreichbar ist, erreicht auch keinen"

Mal wieder niemanden im Pfarrbüro erreicht? Immer wieder gibt es Debatten darüber, wie nutzerfreundlich Kirche ist. In Düsseldorf geht eine katholische Gemeinde eigene Wege - und nutzt auch Facebook und WhatsApp für sich.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Es gibt immer wieder Berichte darüber, wie kompliziert es zum Beispiel ist, eine Taufbescheinigung zu bekommen. Fehlt in der katholischen Kirche schlicht der Servicegedanke?

Martin Kürble (Pastoralreferent in der Seelsorgeeinheit Düsseldorfer Rheinbogen): Sicherlich ist das häufig so. Wenn ich im Pfarrbüro anrufe und es geht nur der Anrufbeantworter ran und es wird noch nicht mal eine Notrufnummer genannt, oder wenn ich im Internet nichts finde oder wenn mich ein unfreundlicher Mitarbeiter am Telefon empfängt, dann fehlt tatsächlich der Servicegedanke. Das würde mich auch massiv ärgern und an dem Laden zweifeln lassen.

DOMRADIO.DE: Können Sie das auch nachvollziehen?

Kürble: Klar. Ich kann den Ärger an der Stelle vollkommen nachvollziehen. Mich hat folgendes Erlebnis geprägt: Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin hat versucht, in einer meiner Gemeinden jemanden zu erreichen, weil ihr Vater gestorben war. Aber sie hat niemanden erreicht, überall ging der Anrufbeantworter dran. Da wurde den Kollegen und mir klar, dass wir sofort handeln und für eine Erreichbarkeit sorgen müssen.  

DOMRADIO.DE: Was sind denn die Gründe für die schlechte Erreichbarkeit?

Kürble: Das ist halt die Denkweise, dass man nur innerhalb der Bürozeiten erreicht werden kann. Doch für seelsorgerische Fälle gilt ein 24-Stunden-Dienst in der Kirche. Und eine Kirche, die nicht erreichbar ist, die erreicht auch keinen. Darüber muss man sich im Klaren sein. Und da kann ich verstehen, wenn Menschen sich ärgern oder erschüttert sind.

DOMRADIO.DE: Es gibt die Idee von einem bundesweiten Servicecenter der Kirche. Da könnte man dann Sternsinger buchen, Trautermine ausmachen, Taufnachweise  beantragen - ist das sinnvoll in Ihren Augen?

Kürble: Ich finde schon. Das kann sinnvoll sein, um an die Pfarrei weitergeleitet zu werden, die tatsächlich vor Ort ist. Doch der persönliche Kontakt und das Gespräch mit dem Menschen ist das Wichtigste. Und ob das jetzt in einem Callcenter wirklich machbar ist, weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass am anderen Ende jemand sein muss, der sich eines Problems auch annehmen kann. Bei einer Taufbescheinigung würde ich auch noch sagen, dass das ein Service-Center in die Wege leiten kann. Aber wenn es persönliche Anliegen sind, ist ein Ansprechpartner vor Ort Gold wert.

DOMRADIO.DE: Was ist mit sozialen Netzwerken?

Kürble: Unsere Facebookgemeinde ist mittlerweile ziemlich groß. Mittlerweile sind Menschen aus ganz Deutschland mit uns verbunden, nehmen am Gemeindeleben teil. Manche hatten auch seelsorgerische Anliegen und haben gemerkt, dass sie in der Gemeinde vor Ort keinen erreichen. Aber uns haben sie im Internet gefunden und sich mit ihrem Problem anvertraut. Das haben wir so erlebt. Es ist einfach wichtig, dass wir in den sozialen Netzwerken sind, um ansprechbar zu sein.

DOMRADIO.DE: Was machen Sie denn sonst noch anders bei sich?

Kürble: Wichtig ist, aktiv zu sein. Wenn Anfragen kommen, zum Beispiel über Facebook, dann sind wir schon in der Lage, die innerhalb von einer Stunde zu beantworten. Das hat auch damit zu tun, dass bei uns Hauptamtliche damit beschäftigt sind, so dass wir eine breite Abdeckung hinbekommen. Man kann auch die Mitarbeiter schulen, dass sie den Menschen mit einem Servicegedanken begegnen - und sie mit ihren Anliegen nicht abblitzen lassen.

DOMRADIO.DE: Was ist mit den Menschen, die nicht so stark im Internet unterwegs sind. Wie kann man ihnen entgegen kommen?

Kürble: Das Einfachste, was man machen kann, ist ein Telefon einfach weiterzuleiten. Das ist ja eine Katastrophe, wenn man im Pfarrbüro anruft und dauernd geht keiner ran. Man kann auch eine Notfallnummer veröffentlichen. Es gibt wirklich technisch genügend Möglichkeiten, wenn man guten Willens ist.  

DOMRADIO.DE: War der Fall, vom dem Sie erzählt haben, mit der Dame, deren Vater gestorben war und die niemanden erreichte, ein Auslöser zu einem Mentalitätswechsel hin zu mehr Serviceorientierung?

Kürble: Ja. Bei mir kann ich das ganz sicher sagen. Das hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht und bestürzt. Das liegt nun schon viele Jahre zurück. Aber für mich ist das wichtig geworden, dass wir eine neue Kultur hinkriegen müssen. Wir machen es hier bei uns beispielsweise auch so: Wenn eine Anfrage zur Krankensalbung kommt, was für viele Menschen in der letzten Phase ihres Lebens schon wichtig ist, dann dafür zu sorgen, dass innerhalb von kürzester Zeit ein Seelsorger erreicht wird, der sich auf den Weg macht.

Dafür gibt es auch WhatsApp. Ganz viele unserer Gemeindemitglieder benutzen ganz selbstverständlich diesen Kurznachrichtendienst. Warum sollten wir das nicht auch nutzen? Sonst wären wir vollkommen aus der Zeit gefallen und müssten uns auch nicht wundern, wenn die Menschen uns in der heutigen Zeit nicht mehr vertrauen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR