Ist die AfD-Politiker-Entlassung aus Kirchenamt rechtens?

"Begründung wirft Probleme auf"

Jüngst sorgte eine Meldung für Schlagzeilen, wonach ein AfD-Politiker im Bistum Trier aufgrund seiner Parteizugehörigkeit aus dem Leitungsgremium einer Kirchengemeinde entlassen wurde. Doch was sagt das Kirchenrecht dazu?

Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz (KNA)
Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ein Landespolitiker lässt sich kirchlich gesehen nichts zu Schulden kommen, dennoch darf er nicht mehr ehrenamtliches Mitglied eines Verwaltungsrates in einer katholischen Gemeinde sein. Wie kann man den Ausschluss des Saarländischen AfD-Fraktionsvize und Landtagsabgeordneten Christoph Schaufert aus einem Leitungsgremium der Gemeinde Sankt Marien in Neunkirchen/Saarkirchen rechtlich begründen?

Georg Bier, Theologe und Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Georg Bier, Theologe und Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )

Prof. Dr. Georg Bier (Kirchenrechtler an der Universität Freiburg): Ich weiß über diese Angelegenheit nur, was ich dem Bericht auf der SWR-Homepage und den dort verlinkten Video-Clips entnehmen kann.

Demzufolge beruft sich der Generalvikar für den Ausschluss zum einen auf "die Verbreitung rechtsextremer Parolen" und zum anderen auf die "Zugehörigkeit zu einer Partei oder Vereinigung, die solche Parolen propagiert". Das eine wie das andere ist für ihn "mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar". Welcher der beiden Punkte den Ausschlag gegeben hat, geht aus seiner Erklärung nicht hervor. 

Folgt man den Angaben von Herrn Schaufert, die Sie ja auch in Ihrer Fragestellung implizit aufgreifen, hat er sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied nichts zu Schulden kommen lassen. Ob er als Parteimitglied oder als Privatmann rechtsextreme Parolen verbreitet oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Anscheinend war das aber nicht der Fall. Laut SWR-Mitteilung hat der Pfarrer von St. Marien berichtet, Vertreter der Kirchengemeinde hätten Herrn Schaufert gebeten, sich "von nicht-christlichen Ansichten in seiner Partei deutlich und öffentlich" zu distanzieren. Das klingt nicht nach aktiver Verbreitung rechtsextremer Parolen durch Herrn Schaufert selbst. 

Treffen diese Schlussfolgerungen zu, bleibt als ausschlaggebender Grund für den Ausschluss die Zugehörigkeit zur AfD als einer Partei, die – meines Erachtens unstrittig – rechtsextremes Gedankengut propagiert und der Herr Schaufert ebenso unstrittig angehört. 

Damit ist aber nur geklärt, welcher inhaltliche Grund für die Entscheidung maßgeblich gewesen ist bzw. gewesen sein dürfte. Eine tragfähige kirchenrechtliche Begründung ergibt sich daraus nur, wenn dieser Sachgrund von Rechts wegen ein belastbarer Ausschlussgrund ist. 

Maßgebliche kirchenrechtliche Vorgabe ist das Kirchenvermögensverwaltungsgesetz (KVVG), ein vom Bischof von Trier für seine Diözese erlassenes kirchliches Gesetz. Dort wird in Paragraf 8 zum Verlust des Amtes im Verwaltungsrat geregelt: "Der Bischöfliche Generalvikar kann ein Mitglied aus wichtigem Grund, insbesondere wegen grober Pflichtwidrigkeit oder Ärgernis erregenden Lebenswandels […] entlassen". Grobe Pflichtwidrigkeit im Rahmen der Amtsausübung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Kirchenrechtlich bleibt als Ausschlussgrund nur der "Ärgernis erregende Lebenswandel".

DOMRADIO.DE: Und trifft dieser Ausschlussgrund in dem Fall nicht zu?

Bier: Ob die bloße Mitgliedschaft in der AfD als Ausdruck eines solchen Lebenswandels gewertet werden kann, ist Ansichtssache. Wohlgemerkt: Der AfD kann ich nichts Positives abgewinnen, und ich begrüße die klare Distanzierung der deutschen Bischöfe von dieser Partei in der Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Gleichwohl halte ich es in rechtlicher Perspektive für problematisch, die Zugehörigkeit zur AfD pauschal als Ausdruck eines "Ärgernis erregenden Lebenswandels" zu werten. Insoweit wirft die Begründung für den Ausschluss meines Erachtens rechtliche Probleme auf. 

Die katholische Kirche kann Katholikinnen und Katholiken, die der AfD oder anderen extremistischen Parteien und Vereinigungen angehören, mit guten Gründen vom haupt- oder ehrenamtlichen Dienst der Kirche ausschließen wollen. Es wäre aber wünschenswert, dies in den entsprechenden Gesetzen eindeutig zu regeln. Dies könnte im Blick auf das Trierer KVVG geschehen, indem eine Bestimmung ergänzt wird, welche die Begründung des Generalvikars für den Ausschluss aufgreift und bereits die Wählbarkeit jener Personen ausschließt, die rechtsextreme Parolen verbreiten oder Vereinigungen angehören, die solche Parolen propagieren. Das würde zur Klärung der Rechtslage beitragen und in der Mehrzahl der Fälle komplizierte und langwierige Einzelfallprüfungen überflüssig machen. 

DOMRADIO.DE: Der Generalvikar im Bistum Trier spricht von einer Einzelfallentscheidung und sieht eine Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Kirche durch das Engagement des AfD-Politikers. Dennoch ist die AfD keine verbotene Partei, spielt das vom Kirchenrecht her gesehen eine Rolle, ob eine Partei verboten ist oder nicht?

Bier: Kirchenrechtlich kann auf eine Bestimmung des kirchlichen Gesetzbuchs verwiesen werden. Nach can. 227 CIC haben Laien das Recht, "in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens jene Freiheit zuerkannt" zu bekommen, die allen Bürgern zukommt; "beim Gebrauch dieser Freiheit haben sie jedoch dafür zu sorgen, dass ihre Tätigkeiten vom Geist des Evangeliums erfüllt sind, und sich nach der vom Lehramt der Kirche vorgelegten Lehre zu richten".

Die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und die Mitgliedschaft in Vereinigungen, die solches Gedankengut propagieren, steht unbestreitbar im Widerspruch zum Geist des Evangeliums. Dies haben die deutschen Bischöfe in ihrer Erklärung zum Völkischen Nationalismus mit wünschenswerter Deutlichkeit festgestellt. 

Gegen den Geist des Evangeliums zu handeln, ist kirchenrechtlich nicht erst dann vorwerfbar, wenn dies im Rahmen einer verbotenen Partei geschieht. Insoweit ist der parteipolitische Hintergrund nicht von Bedeutung. Die Glaubwürdigkeit der Kirche wird bereits durch ein dem Geist des Evangeliums widersprechendes Engagement gefährdet. 

DOMRADIO.DE: Bis auf Weiteres ist dem Mann die Wählbarkeit in den Verwaltungs- oder Gemeinderat einer Kirchengemeinde in der Diözese Trier entzogen. Dagegen kann er aber vorgehen. Was wären jetzt kirchenrechtliche Schritte gegen den Ausschluss?

Bier: Ja, dagegen kann er vorgehen. Der SWR-Mitteilung zufolge hat das Bistum erklärt, der Mann könne zunächst beim Bischof von Trier Beschwerde gegen die Entscheidung des Generalvikars einlegen. Wenn das zutrifft, ist das aus kirchenrechtlicher Perspektive eine überraschende Auskunft. Der Generalvikar ist "alter ego" des Diözesanbischofs, er handelt in dessen Namen, nicht in seinem eigenen. Was er entscheidet, gilt als vom Diözesanbischof entschieden; damit ist eine Beschwerde beim Diözesanbischof ausgeschlossen. Offenbar hat man in Trier andere Vorstellungen – es wäre allerdings überraschend, wenn der Diözesanbischof anders entschiede als der Generalvikar. 

Reguläre Beschwerdeinstanz ist das zuständige Dikasterium beim Apostolischen Stuhl; dorthin könnte sich der Betroffene im vorliegenden Fall wenden, falls der Diözesanbischof nach einer zunächst bei ihm vorgetragenen Beschwerde die Entscheidung des Generalvikars nicht abändert. 

DOMRADIO.DE: Wie sollte die Katholische Kirche in ihren Pfarreien und Vereinen sowie Verbänden mit problematischen Gläubigen umgehen, was wäre kirchenrechtlich der beste Weg, um extremistische Kräfte aus dem Ehrenamt herauszuhalten?

Bier: Wie bereits dargelegt, besteht der kirchenrechtlich beste und am wenigsten angreifbare Weg darin, in Gesetze, Satzungen oder Ordnungen eindeutige Regelungen zu Wählbarkeit und Mitgliedschaft in Gremien, Vereinen oder Verbänden aufzunehmen. 

Die (Erz-)Diözesen Berlin und Würzburg sind in dieser Hinsicht bereits aktiv geworden. Ausschlussgründe sollten möglichst eindeutig benannt werden und möglichst problemlos überprüfbar sein. "Ärgernis erregender Lebenswandel" ist – ganz unabhängig von parteipolitischen Zusammenhängen – wegen seiner Unbestimmtheit ein wenig geeignetes Kriterium.

Die "Zugehörigkeit" in einer bestimmten Partei oder Vereinigung wäre ein praktikabler Ausschlussgrund, die "Verbreitung (rechts-)extremer Parolen" eröffnete bereits Interpretationsspielräume hinsichtlich des Begriffs der Verbreitung als auch hinsichtlich der Frage, wann genau eine Parole (rechts-)extrem ist. 

Allerdings: Nicht jede ehrenamtliche Tätigkeit ist durch Satzungen regelbar. Wenn es um etwa um Krankenbesuchsdienste oder um die Mitarbeit in der Erstkommunionkatechese geht, werden die Verantwortlichen vor Ort nicht um eine Einzelfallprüfung herumkommen und es wagen müssen, ohne die Absicherung durch rechtliche Bestimmungen verantwortbare Entscheidungen zu treffen.

Die Fragen stellte Mathias Peter.

Bundesweit erster AfD-Spitzenpolitiker verliert Kirchenamt

Christoph Schaufert verliert als bundesweit erster AfD-Spitzenpolitiker sein Kirchenamt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im saarländischen Landtag darf nach einer Entscheidung des katholischen Bistums Trier nicht mehr kirchlichen Gremien angehören. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Kirchengemeinde in Neunkirchen/Saar wurde er entlassen, wie Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg auf einer Pressekonferenz in Trier mitteilte. 

Dunkle Wolken über dem Trierer Dom / © Leonid Andronov (shutterstock)
Dunkle Wolken über dem Trierer Dom / © Leonid Andronov ( shutterstock )
Quelle:
DR