Impfung des Augsburger Bischofs stößt auf Kritik und Verständnis

"Ich habe nicht gedrängelt"

Bertram Meier hat sich als bisher einziger Diözesanbischof in Deutschland schon eine Impfung zum Schutz vor Covid-19 geben lassen. Es folgten Aufschrei, Zuspruch, Entschuldigung. Und dann kursiert noch ein Gerücht.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Bertram Meier / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bertram Meier / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das "zeugt nicht von politischem Instinkt und Fingerspitzengefühl", urteilte die "Augsburger Allgemeine". Die "Nürnberger Nachrichten" schimpften über "ein wirklich mieses Verhalten". Und Ludwig Hartmann, Grünen-Fraktionschef im bayerischen Landtag, geißelte eine "nicht tragbare Ich-zuerst-Mentalität".

Grund war wohl überzähliger Impfstoff

Es geht um die vorzeitige Corona-Impfung des Augsburger Bischofs Bertram Meier. Vergangene Woche enthüllte die Heimatzeitung des Hirten, dieser und sein Generalvikar Harald Heinrich hätten am 6. Februar schon ihre zweite Spritze zum Schutz vor Covid-19 erhalten - obwohl der 60- und der 53-Jährige zu keiner priorisierten Gruppe zählten.

Das Bistum bestätigte, Meier und Heinrich hätten sich in einem örtlichen Caritas-Seniorenheim immunisieren lassen. Zur Erklärung hieß es, bei der ersten Impfung im Januar sei kurzfristig überzähliger Impfstoff vorhanden gewesen; im Februar hätten die Geistlichen dann eine zweite Vakzination bekommen, da diese für einen vollständigen Impfschutz nötig sei. Meier und Heinrich seien regelmäßig als Seelsorger in Pflegeeinrichtungen, um Messen zu feiern oder Krankensalbungen zu spenden. Sie seien als "Personal" anzusehen.

Rechtfertigung und Bedauern

Außer dieser Rechtfertigung war auch bischöfliches Bedauern zu vernehmen: "Dass meine Impfung in der Öffentlichkeit für Missverständnisse gesorgt hat, tut mir leid", teilte Meier mit. Aber nach der Impfung "gedrängelt" habe er sich nicht, wies er einen Vorwurf Ludwig Hartmanns zurück.

Vielmehr sei zu bedenken: "Die kranken und alten Menschen in den Heimen brauchen Zuwendung und menschliche Nähe. Wer besucht sie denn noch? Sie brauchen aber auch die größtmögliche Sicherheit, dass ihnen niemand die Viren ins Zimmer bringt."

Brysch: Kann Gefahr für andere werden

Diese Argumentation brachte wiederum Eugen Brysch auf die Palme, den Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Bereits seit Monaten sei klar, dass auch Geimpfte das Coronavirus weitergäbe. "Wenn der Bischof das nicht weiß, wird er zur Gefahr für seine Umgebung."

Danach wurde es zunächst still um Augsburgs Bischof. Sein neuer Video-Blog, von dem am Freitag die sechste Folge hätte laufen sollen, fiel ersatz- und kommentarlos aus. Pikant: In Folge fünf sprach Meier noch vom "Zoff um den Stoff" - es ging um Gezänk um die Impfversorgung und das pandemiebedingte Auseinanderdriften der Gesellschaft, ausgerechnet.

Meier entschuldigt sich

Dann kam der Aschermittwoch - und mit ihm Meiers Buße: Er sei "einer Versuchung erlegen", bekannte der Bischof beim Gottesdienst im Augsburger Dom. Er habe sich impfen lassen, da er wegen zahlreicher Corona-Infektionen in seinem Umfeld "überzeugt war, damit das Beste für die Menschen zu tun, mit denen ich zusammenarbeite oder die ich in meinem bischöflichen Dienst treffe".

Heute sehe er, dass die Impfung "ein Fehler" gewesen sei. Sie «erscheint als Bevorzugung, die ich so nie wollte». Er könne verstehen, dass Menschen sich verletzt fühlten. "Ich bitte herzlich um Verzeihung."

Kritk und Solidarität

Ob die harsche Kritik der vergangenen Tage Meier reuig gemacht hatte? Schließlich hatte selbst einer seiner Amtsbrüder, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Missmut bekundet. Er warnte via Twitter im Zusammenhang mit "Impf(vor)dränglern" vor "Habgier". Diese zerfresse die Solidarität. Selbige erfuhr Meier derweil durchaus auch.

Auf der Facebook-Seite der Diözese kommentierte etwa eine Barbara Grabmaier: "Für mich ist wichtig, dass mein Bischof als Vorsteher des Bistums seine vielfältigen Aufgaben möglichst gut, gesund und ohne Risiko für sich und andere erfüllen kann. Gut also, dass er geimpft wurde!!"

Unter einen Bericht des Bayerischen Rundfunks schrieb der Nutzer "decaflo": "Ich finde die Aufregung unnötig." Dass der Bischof sich so früh habe impfen lassen, sei ihm "tausendmal lieber, als Pflegepersonal, das sich nicht impfen lassen will". Und die "Augsburger Allgemeine" druckte den Leserbrief eines Peter Dworak: "Dieser typisch deutsche 'Neidkomplex' ist grässlich."

Auch Politiker ließen sich zu früh impfen

Dem Bischof zugutegekommen ist in der Debatte sicher, dass er darin nicht die einzige Reizfigur war. Vielmehr wurden - nicht nur, aber gerade auch in Augsburg und Umgebung - weitere Fälle von frühzeitig gepiksten Verantwortungsträgern bekannt, darunter der Landrat des Kreises Donau-Ries und der Oberbürgermeister Donauwörths. Zudem ließen Leiter von Augsburger Heimen der Arbeiterwohlfahrt Lebenspartner unter falschen Angaben auf die offiziellen Impflisten setzen, wie die "Augsburger Allgemeine" weiter berichtete.

Diese Fallhäufung rief höchste Kreise auf den Plan. So kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) inzwischen an, Sanktionen für "Impfdrängler" prüfen zu wollen. Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, erklärte, sie halte Strafen für denkbar.

Rache am Bischof?

Apropos Strafe: Es gibt Gerüchte, eine solche sei das Informieren der Presse über Meiers Impfung gewesen. Jemand habe sich am Bischof rächen wollen. Klar ist: Meier traf in den vergangenen Wochen diverse Personal- und Strukturentscheidungen, die naturgemäß auch Leute vor den Kopf gestoßen haben. Mancher dürfte davon nachhaltiger geschmerzt sein als der Bischof von seinem Impf-Piks.


Bertram Meier / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bertram Meier / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA