Bistum Speyer unterstützt Auszeit von Bischof Wiesemann

"Welle der Sympathie und des Zuspruchs"

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann nimmt sich eine gesundheitsbedingte zweimonatige Auszeit. Aus dem Bistum gibt es für diese Entscheidung viel Zuspruch und Unterstützung, wie Pressesprecher Markus Herr im Interview betont.

Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz (KNA)
Karl-Heinz Wiesemann / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es gebe keinen Grund, sich allzu viele Sorge zu machen, sagte Bischof Wiesemann. Ein bisschen Sorgen macht man sich bei so einer Nachricht irgendwie ja dann doch. Wie geht es denn Ihrem Bischof aktuell?

Markus Herr (Leiter der Pressestelle des Bistums Speyer): Das ist verständlich. Wir hatten am Samstag unsere Diözesanversammlung. An dieser hat der Bischof auch noch teilgenommen. Er hat sich dann zum Abschluss persönlich an die Mitglieder der Diözesanversammlung gewandt und mitgeteilt, dass es ihm nicht gut geht, dass das schon seit einiger Zeit so ist und die Ärzte ihm eine Auszeit angeraten haben.

Es war dann sehr anrührend zu sehen, wie viele Mitglieder auch Verständnis geäußert haben und ihm zugesprochen haben, genau diesen Schritt so zu gehen.

DOMRADIO.DE: Man erlebt da einen Bischof von einer ganz menschlichen Seite. Wie wohltuend, würden Sie sagen, ist es, dass ein Bischof sagt, "guckt mal, ich bin auch nur ein Mensch, ich brauche eine Auszeit"?

Herr: Das ist aus verschiedenen Perspektiven sehr wohltuend. Man darf nicht vergessen, dass an einen Bischof gerade jetzt in der Zeit des Umbruchs ja ungeheuer viele und teilweise auch gegensätzliche Erwartungen gerichtet werden. Das sind Erwartungen, die auch ein Mensch nie in Gänze erfüllen kann. Da ist es, glaube ich, für uns alle wichtig zu sehen, dass auch Menschen, die in der Kirche ein Amt haben, nur Menschen sind.

Bischof Wiesemann hat es in der Versammlung am Samstag schön ausgedrückt. Er sagte, er sei ein Mensch mit Stärken, mit Schwächen, aber auch mit Grenzen dessen, was er an Belastungen gut ertragen könne. Diese Grenze war einfach in den vergangenen Wochen mehrfach bei ihm überschritten worden, sodass die Ärzte ihm diesen Schritt angeraten haben.

Am Samstag hat er dann die Erfahrung gemacht, dass das Bistum Speyer wirklich in einer großen Sympathie hinter ihm steht und ihm genau angeraten hat, diesen Schritt zu gehen und wir ihm alles Gute wünschen für diese Wochen, die jetzt für ihn begonnen haben.

DOMRADIO.DE: Man hört da heraus, es sind diese Mammut-Herausforderungen, mit denen sich gerade ganz viele Bischöfe konfrontiert sehen: Die Krise in der katholischen Kirche in Zusammenhang mit der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt. Sind das die Gründe?

Herr: Wie Sie die Situation der Kirche beschreiben, da würde ich Ihnen zu 100 Prozent recht geben. Wir erleben ja an vielen Stellen, dass die Volkskirche, die wir aus vergangenen Jahren kennen, immer mehr der Vergangenheit angehört und dass es jetzt darum geht, kreativ und auch mit frischen Visionen eine neue Gestalt von Kirche zu entwickeln. Das schafft natürlich ein hohes Maß an Verunsicherung. Das erfordert auch viel Kraft, dies zu gestalten. Zu all dem kommt jetzt die Aufarbeitung des Missbrauchs.

Unser Bischof hat im Dezember in einem Interview Beschuldigungen gegen den früheren Generalvikar und Offizial des Bistums öffentlich gemacht. Das war in der Rückschau ein ganz entscheidender Schritt. Denn seitdem melden sich ganz viele Betroffene bei uns, die sich bisher noch niemandem anvertraut haben. Eine Frau hat kürzlich dem Bischof in einem Gespräch mitgeteilt, dass sie erst jetzt nach dieser Veröffentlichung des Namens des Betroffenen, also des früheren Generalvikars und Offizials als Täter, tatsächlich glaubt, dass es der Kirche mehr um das Leid der Betroffenen als um den Schutz der Täter geht.

Das ist eine ganz wichtige und gute Erfahrung für uns, weil wir auf der anderen Seite sehen, dass im Leben dieser Menschen, die häufig die Erfahrung gemacht haben, nicht gehört zu werden, jetzt auch eine Situation entsteht, in der sie sich offenbaren können. Nun können sie das mitteilen, aber das eben auch mit anderen Menschen teilen.

Unser Bischof hat auch in den letzten Jahren sehr viele seelsorgliche Gespräche mit Betroffenen geführt. Das ist die positive Seite, dass im Leben der Betroffenen durch diese neue Situation auch tatsächlich was in Ordnung kommt.

DOMRADIO.DE: Diese Gespräche gehen auch an einem Bischof einfach nicht spurlos vorbei. Jetzt hat die Meldung, dass Ihr Bischof sich diese zwei Monate Auszeit nimmt, für eine vergleichsweise große mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Hat Sie das persönlich überrascht?

Herr: Ich glaube, es macht den Unterschied deutlich, der zwischen einer Privatperson und einer Person des öffentlichen Lebens besteht. Da zählen natürlich auch Bischöfe dazu, bei denen private Umstände in einem sehr viel stärkeren Maß auch die Öffentlichkeit interessieren. Ich denke zum Beispiel an den Papst mit den Ischias-Problemen, die jetzt in den vergangenen Wochen häufiger mal Thema gewesen sind.

Für mich war diese Welle der Sympathie und auch des Zuspruchs anrührend, die den Bischof vor allem über die sozialen Netzwerke, aber auch über viele E-Mails erreicht hat, nachdem der Bischof das öffentlich gemacht hatte. Da haben Menschen sich erklärt und gesagt: Ich kenne diese Erfahrung. Mir ging es auch schon an anderen Punkten meines Lebens so. Und das ist genau richtig, wie sie handeln und dass sie das auch wirklich in aller Offenheit auch so benennen.

Da hat er also wirklich sehr viel Zuspruch und Unterstützung erfahren. Es haben sich jetzt seit Samstag mehrere Hundert Menschen beim Bischof rückgemeldet und das ist doch eine auch sehr bewegende Erfahrung.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR