DOMRADIO.DE-Sommeraktion: Meine Heimatkirche

Den Weg zu Gott finden

Manchmal findet man Heimat auf einem kleinen Stückchen Weg. So ungefähr beschreibt es Schwester Johanna von der Benediktinerinnen-Abtei Varensell. DOMRADIO.DE-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen hat einen Besuch abgestattet.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Heimat für Sie?

Schwester Johanna (Benediktinerinnen-Abtei Varensell): Ich bin schon seit 1978 hier im Kloster. Für mich ist es einfach ein Stück Zuhause mit meinen 30 Mitschwestern. Aber es ist eigentlich noch mehr. Zuhause ist ja immer ein Ort, an dem man sich wohlfühlt, wo man angenommen ist. Mein eigentliches Zuhause ist im Himmel, wenn man so will, und dahin bin ich mit meinen Schwestern gemeinsam unterwegs. Das zeigt sich ganz schön, wir gehen mehrfach am Tag in unsere Kirche, das ist auch ein Stück Heimat, an dem wir zusammen sind. Wir tun das aber nicht einfach so. Wir gehen nicht in die Kirche, und dann sind wir da, sondern wir gehen einen kleinen Weg dorthin.

Das ist mir schon ganz wichtig, denn wenn man in der Kirche zu Hause ist, ist man immer eine pilgernde Gemeinschaft, eine Gemeinschaft unterwegs. Wir stehen dann einen Moment auf unserer so genannten Station. Da steht man und sagt: So, wo stehe ich jetzt? Wo bin ich jetzt gerade? Ich komme aus meinem Alltag, und dann gehe ich hinein in diesen Raum und komme zunächst immer näher an ein Kreuz. Das heißt, ich komme mir immer näher zu dem, zu dem ich eigentlich hin unterwegs bin. Und dann kommt man zunächst durch einen dunklen Torbogen, und dann steht da eine kluge Jungfrau mit einem mit einem kleinen Gefäß in der Hand. Sie fragt mich: Hast du dein Öl bei dir? Bist du brennend? Wofür brennst du gerade?

Und dann geht man durch das große Tor hinein in die Kirche. Und wenn ich auf der Station stehe und diesen kleinen Gang gehe, dann sehe ich schon Lichter. Manchmal kann man auch Weihrauch riechen und ich gehe hinein in diesen großen Raum. Und dann fällt mir immer ein Wort ein von Ernesto Cardenal: wir sind noch nicht im Festsaal angelangt, aber wir sind eingeladen. Wir sehen schon die Lichter und hören die Musik. So ist das für mich. Dann fühle ich mich zuhause und gehe mit meinen Schwestern hinein, um Gott zu loben und Gott zu preisen, ihm unsere Anliegen zu sagen, auch die Anliegen der vielen Menschen, die zu uns kommen. Es gibt ganz viel zu beten.

DOMRADIO.DE: Was lässt Ihr Herz höher schlagen? Wofür brennen Sie, wenn Sie in Ihrer Gemeinschaft Jesus Christus entgegengehen?

S. Johanna Ich brenne für Jesus Christus selber, für Gott, den ich suche. Den habe ich nicht in der Tasche, sondern ich suche jeden Tag. Er begegnet mir immer wieder neu. Und dafür brenne ich und auch für diese Sehnsucht nach dem Mehr. Kirche ist ein ganz großer Raum der Freiheit, und das wünsche ich allen Menschen, dass sie das entdecken, was sie zur Freiheit berufen sind, und diesen Weg finden zu ihm hin.

DOMRADIO.DE: Hier im Kloster gibt es viele Gäste. Sie erleben ja nicht nur ihre Gemeinschaft, sondern auch die große Gemeinschaft der Kirche. Wo steht Kirche gegenwärtig Ihrer Ansicht nach?

S. Johanna Im Moment wirklich in einer Krise, vielleicht auch in Unsicherheit. Vielleicht auch hoffentlich in Suche. Ich glaube, eine ganze Menge Menschen erleben Kirche nicht so wie wir. Wir sind jeden Tag unterwegs und wir erleben Kirche nicht nur am Sonntag in der Eucharistiefeier, sondern Kirche hat ganz viele Facetten. Kirche ist ein Stück meines Alltags, nicht nur dort in dem Raum, sondern auch im Alltag. Und das erleben viele Menschen nicht. Ich habe von vielen gehört, der Sonntagsgottesdienst fällt aus, Kirche fällt aus, Glaube fällt aus. Aber Sie suchen etwas. Aber viele suchen etwas, das mehr ist als das, was sie jetzt gerade erleben.

DOMRADIO.DE: Sie im Kloster erleben ja auch die aktuelle Diskussion. Sie haben mir erzählt, Sie nehmen am Synodalen Weg, zumindest digital teil, wenn wir das übertragen. Wie, denken Sie, muss Kirche sich auf den Weg machen, um wirklich voranzukommen?

S. Johanna Ich sehe das auch hier in der Gemeinde. Ich bin im Pfarrgemeinderat. Es gibt pastorale Räume, die entstehen. Ich finde das richtig, dass es größere Räume gibt, die einfach die ganzen Strukturen vereinfachen. Aber es braucht kleine Gemeinschaften, die wirklich ihren Glauben teilen und leben. Es ist heute wichtig, dass Menschen dazu ermutigt werden, Bibel zu lesen, zu beten miteinander.

Wir haben das erlebt, jetzt an Gründonnerstag, da gibt's bei uns mein besonderes Brot. Unsere Gäste konnten ja nicht kommen. Denen haben wir diese Brotmischung geschickt und sie haben dieses Brot selber gebacken und an Gründonnerstag eine kleine Feier zu Hause gehalten und das Brot miteinander gebrochen. Ich glaube, dass es solche kleinen Gemeinschaften geben muss. Ich würde es mir wünschen, dass sie wachsen, indem man seinen Glauben lebt und mit dem Alltag in Verbindung bringt und nicht nur sonntags mal eine Stunde in der Kirche.

DOMRADIO.DE: Jetzt sagen viele, von den Orden könne eine Kraft ausgehen, die vielleicht auch auf die Kirche zurückstrahlt. Können die Orden diese Aufgabe erfüllen?

S. Johanna Ich glaube schon, wenn ich sehe, welche Möglichkeiten wir hier haben. Ein Beispiel: Wir haben das Glück gehabt, dass Ostern ein Priester hier war. Aber wir hätten Ostern auch gefeiert ohne Priester. Da haben wir viele Möglichkeiten am Tag, auch Formen, die wir gewohnt sind. Da brauchte fast nichts auszufallen.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für sich persönlich, aber auch für die Kirche?

S. Johanna Ich wünsche, dass wir wirklich zu dieser Freiheit der Kinder Gottes kommen. Das wünsche ich mir für die Kirche auf jeden Fall, auch ein bisschen mehr Mut und Ermutigung. Und für mich selber? Da freue ich mich einfach, dass ich mit meinen Schwestern lebe. Und es wäre schön, wenn noch ein paar mehr hierherfinden würden.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.


Quelle:
DR