Neuer Rekord bei der Kirchensteuer

Trendwende erwartet

Die Mitglieder schwinden, doch die Steuereinnahmen bleiben hoch: Auf den ersten Blick scheinen diese Entwicklungen bei den Kirchen nicht zusammenzupassen. Experten rechnen mit einer raschen Angleichung.

Autor/in:
Paula Konersmann
Kirchensteuer / © Daniela Staerk (shutterstock)

So viel Kirchensteuer wie nie: Diese Schlagzeile war schon Anfang Juli über die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zu lesen, zuletzt auch über die katholische Kirche. Trotz sinkender Mitgliederzahlen haben die Einnahmen aus der Kirchensteuer im Vorjahr mit insgesamt rund 12,7 Milliarden Euro ein Rekordhoch erreicht. Davon erhielt die katholische Kirche 6,76 Milliarden und die evangelische 5,95 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den insgesamt 12,4 Milliarden Euro im Jahr 2018 ist das ein leichter Anstieg um rund 2,4 Prozent.

Gute Konjunktur in den vergangenen Jahren

Fachleute machen für den Trend vor allem die gute Konjunktur verantwortlich. Lohn- und Einkommenssteuer stiegen in den vergangenen Jahren kontinuierlich an - und damit auch die Kirchensteuer. Millionen von Menschen zahlen diesen Mitgliedsbeitrag an ihre Kirchen. Und trotz hoher Austrittszahlen gehört noch etwas über die Hälfte der deutschen Bevölkerung einer der großen Kirchen an.

Allerdings rechnen beide Kirchen bereits für das laufende Jahr mit starken Einbrüchen. Hintergrund sind die Corona-Pandemie und die durch sie verursachte Wirtschaftskrise. Mehrere Bistümer haben bereits Hochrechnungen angestellt: Das Bistum Trier erwartet für 2021 etwa 15 Millionen Euro weniger, das Bistum Münster rechnet mit einem Defizit von bis zu 45 Millionen Euro, das Erzbistum Köln mit einem Kirchensteuer-Minus von 10 Prozent.

Trendwende erwartet angesichts Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise

Wie die Einbußen genau ausfallen und auf welche Bereiche sie sich auswirken werden, sei noch kaum einzuschätzen, heißt es. Die Kirchen finanzieren aus den Kirchensteuereinnahmen vor allem die laufenden Kosten für ihr Personal in Seelsorge, Schulen und sozialen Einrichtungen.

Staatliche Steuerschätzungen gehen im Zusammenhang mit der Corona-Krise von einem Rückgang um etwa 13 Prozent aus; manche Experten bezeichnen dies als optimistisch. Nach Einschätzung des Freiburger Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen etwa könnte die Corona-Krise jeden fünften Kirchensteuer-Euro kosten.

Verteilung der Kirchensteuerlast

Man müsse im Blick behalten, dass die Hälfte aller Kirchenmitglieder gar keine Kirchensteuer zahle - und die obersten 5 Prozent in der Einkommensstatistik der Kirchenmitglieder mehr als 50 Prozent der gesamten Kirchensteuer, sagte Raffelhüschen kürzlich der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Darunter sind sehr viele Selbstständige. Da kommt es jetzt darauf an, wie stark diese Leute von der Krise getroffen werden." Nach Angaben der Bischofskonferenz kommen rund 37 Prozent der Katholiken für 97 Prozent der Kirchensteuer auf.

Im vergangenen Jahr hatte Raffelhüschen eine große Studie zur Zukunft der Kirche geleitet, der zufolge bis 2060 sowohl die Mitgliederzahlen als auch das Kirchensteueraufkommen auf etwa die Hälfte sinken wird. Die aktuelle Krise mache diese Probleme "ein Stück dringender", so der Finanzwissenschaftler. Wenn die Analysen zutreffen, werden in 40 Jahren noch knapp 30 Prozent der deutschen Bevölkerung einer der großen Kirchen angehören.

Sinkende Mitgliedszahlen

Zuletzt haben beide Kirchen so viele Mitglieder verloren wie nie zuvor. Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland sank 2019 auf 43,3 Millionen. Die Austrittszahlen liegen bei den evangelischen Landeskirchen mit rund 270.000 auf ähnlichem Niveau wie die der katholischen Kirche mit 272.771.

Kirchenvertreter reagierten auf die Entwicklung mit Sorge. Die jüngsten Austritte müssten umfassend untersucht werden, forderte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Zudem müssten sich die Kirchen noch offener zeigen: "Wir dürfen nicht warten, bis die Menschen in unsere Kirchen oder Gemeindehäuser kommen", sagte er der "Bild am Sonntag".

Kirche und Gesellschaft

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, betonte, an den Statistiken gebe es "nichts schönzureden". Die allgemeine Kirchenbindung sei ebenso rückläufig wie der Empfang von Sakramenten wie Taufe oder Eheschließung. Dies zeige, "dass wir trotz unseres konkreten pastoralen und sozialen Handelns eine Vielzahl von Menschen nicht mehr für das kirchliche Leben motivieren". Dennoch sei die Kirche in der Öffentlichkeit ebenso präsent wie bei den Menschen "und besonders bei denen, die am Rande der Gesellschaft leben, sowie bei den Kranken und Schwachen".

Letzteres scheint vielen Menschen durchaus bewusst zu sein: Laut einer Umfrage von Anfang Juli betrachten 52 Prozent der Befragten die Kirchen als wichtige Stimme in der Gesellschaft. 32 Prozent bezeichneten den Mitgliederschwund als bedrohlich.

 

Quelle:
KNA