Pfarrer setzt auf untypische Musik in Gottesdiensten

"Gott ist überall erfahrbar"

Jeweils am ersten Freitag im Monat kann man in Berlin einen musikalisch ausgefallenen Gottesdienst erleben. “Music and Spirit Night” heißt die Reihe. Anstatt der Orgel kommt Modernes aus den Lautsprechern.

Christen, die ihre Hände in Lob und Verehrung vor kreuzernem Hintergrund aufheben. / © Paul shuang (shutterstock)
Christen, die ihre Hände in Lob und Verehrung vor kreuzernem Hintergrund aufheben. / © Paul shuang ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was für eine Musik konnte man denn beim letzten Gottesdienst hören?

Pfarrer Viktor Weber (Initiator und Organisator der “Music and Spirit Night”): Da hat die Band „Herztakt“ um Pfarrer Erko Sturm aus Spandau gespielt. Die spielen viel Rockmusik und auch ein bisschen Poppiges. Pfarrer Sturm und ich kennen uns und da habe ich die Band zu der Gelegenheit eingeladen.

DOMRADIO.DE: Kirche und Rock – passt das zusammen?

Pfarrer Viktor Weber

"Soll denn der Teufel die gute Musik für sich alleine haben?"

Weber: Das ist eine längere Diskussion, die vor allem in Amerika noch etwas intensiver geführt wurde als hier bei uns. In den frommen Kreisen herrscht teilweise die Meinung, dass solche Musik vom Teufel sei. Die Gegenbewegung fragt dann keck zurück: Ja, soll denn der Teufel die gute Musik für sich alleine haben?

DOMRADIO.DE: So ein musikalisches Experiment machen Sie nicht zum ersten Mal. Sie haben Gottesdienste in Ihrem Gemeindezentrum mit Technomusik veranstaltet. Wie ist das bei den Gottesdienstbesuchern angekommen?

Weber: Ich glaube grundsätzlich, dass Gott überall erfahrbar ist, an allen Orten, aber auch in verschiedenen Musikrichtungen. Manche Menschen mögen Orgelmusik. Andere bevorzugen elektronische Musik wie Techno. Die Musik ist ja durchaus im Bereich Ekstase anzusiedeln. Im Vorfeld wissen die Menschen, welche Musik sie im Gottesdienst erwartet. Das ist also keine Überraschung. Und entsprechend kommen dann Menschen, die diese Musik mögen oder die neugierig sind. Zu dem Techno-Gottesdienst, den wir im Sommer draußen veranstaltet hatten, kamen vor allem jüngere Leute, aber auch viele Interessierte allen Alters.

DOMRADIO.DE: Welche klassischen Elemente sind denn in ihren Gottesdienst-Formaten noch enthalten?

Weber: Wir experimentieren in dem Bereich rum und probieren verschiedene Dinge aus. Dafür verteilen wir im Anschluss an den Gottesdienst einen Feedback-Bogen. Dort steht auch die Frage: War das für dich ein "richtiger" Gottesdienst? Manche hatten "ja" angekreuzt. Manche hatten "nein" angekreuzt. Und wieder andere haben sich dazwischen verortet. Interessant ist dann das Warum, das da auch immer dazu geschrieben steht.

Grundsätzlich gibt es aber viele Elemente nur in veränderter Form. Wir beginnen immer ganz klassisch im Namen des Vaters und starten mit einem Vaterunser als ganz klaren Marker für einen Gottesdienst. Die Elemente dazwischen verschwimmen dann teilweise, sind aber in anderer Form vorhanden oder teilweise auch sehr modern interpretiert.

Techno in der Kirche (Symbolbild) / © Taya Ovod (shutterstock)
Techno in der Kirche (Symbolbild) / © Taya Ovod ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie – können solche Gottesdienst auch auf dem Land funktionieren?

Weber: Die Chance solcher Gottesdienste ist es, Menschen neugierig zu machen. Auch auf dem Land wird nicht nur Orgelmusik gehört. Auch da gibt es Dorffeste, wo tanzbare oder fröhliche Musik läuft. Je nachdem, was sich die Menschen wünschen und was sie brauchen, kann ich mir gut vorstellen, dass sie ihre Gotteserfahrung auch mit anderer Musik machen können. Ich habe auch schon mal einen Schlager-Gottesdienst gemacht. Da war dann der Text des Schlagers natürlich Thema der Predigt. Das Sprechen darüber hat den Menschen ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

DOMRADIO.DE: Und da hat man dann Helene Fischer gehört?

Weber: Es ist ja im Grunde eine Frage der Kunst der Auslegung. Es ist fast zu jedem Text oder Lied möglich, etwas zu sagen, was Menschen berührt. Allein schon, wenn die Melodie einen mitnimmt und berührt. Überall dort, wo so eine Berührung oder Begegnung mit Kunst passiert, ist der Mensch ansprechbar auf Göttliches und Religiöses. Das ist durchaus auch mit Helene Fischer möglich.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
DR