40 Jahre Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

"Zunehmend mit säkularisierter Welt konfrontiert"

Am Mittwoch wird die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt 40 Jahre alt. Zeit für eine kritische Bestandsaufnahme: Wie geht die Universität mit dem Rückgang der Kirchensteuern und der Suche nach Wissenschaftlern um?

Die einzige katholische Uni in Deutschland (KNA)
Die einzige katholische Uni in Deutschland / ( KNA )

KNA: Frau Professor Gien, was fehlte der Hochschullandschaft, wenn es die KU nicht gäbe?

Gabriele Gien (Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt): Wir sind die einzige katholische Uni im deutschen Sprachraum. Katholisch bedeutet allumfassend. So verstehen wir uns: als Bildungseinrichtung, die mehr bietet als Fachwissen, nämlich auch einen ethischen Kompass, und das in Bezug auf Forschung, Lehre und gesellschaftliche Verantwortung. Letztere ist der wichtigste Punkt: Als KU fühlen wir uns mehr als staatliche Hochschulen den gesellschaftlichen Herausforderungen verpflichtet.

KNA: Wie setzen Sie das um?

Gien: Zum Beispiel in interdisziplinären Forschungszentren und Studienformaten im direkten Austausch mit der Bevölkerung - etwa durch Workshops zu regional relevanten Themen wie Mobilität oder Digitalisierung der Gesellschaft. Symbolisch dafür steht auch ein gläsernes Büro am Eichstätter Bahnhof, mit dem wir Offenheit signalisieren wollen.

KNA: Wird dieses Signal auch angenommen?

Gien: Das Ziel, die Gesellschaft in die Uni reinzuholen, klappt gut, ist aber ein laufender Prozess. Daher wollen wir noch stärker Forschungsfragen nicht nur für die Gesellschaft, sondern mit ihr entwickeln. Außerdem möchten wir unsere Ergebnisse verständlicher für ein nicht-wissenschaftliches Publikum präsentieren. Bestens läuft derweil der Austausch mit anderen Unis, derzeit vor allem im Bereich Digitalisierung.

Durch unsere Expertise und den besonderen Fokus auf Wertefragen und gesellschaftliche Transformation ergänzen wir die Kompetenzen von Hochschulen und Unis, die einen technischen Schwerpunkt haben. Das ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale.

KNA: Exklusiv ist auch der Träger Ihrer Uni: eine von den sieben bayerischen Bistümern errichtete Stiftung. Wie ist es um die Beziehung Uni-Kirche bestellt?

Gien: Sie ist besser denn je. Im früheren Münchner Generalvikar Peter Beer haben wir seit gut einem Jahr einen Stiftungsratsvorsitzenden, der politisch und nach vorne denkt. Ich würde mich jedoch freuen, wenn unser Träger noch mehr auf unsere Expertise zu aktuellen Themen zurückgriffe und es mehr diskursive Formate im gegenseitigen Austausch gäbe.

Strategisch wünschenswert wäre eine größere Abstimmung in der katholischen Hochschullandschaft im Freistaat, zum Beispiel bei Fragen des Studienangebots. Mit dem Verbund "Katholische Hochschulen in Bayern" haben wir da schon einen guten Weg eingeschlagen, etwa mit einem gemeinsamen Graduiertenkolleg.

KNA: Schauen wir zurück: Was waren in den vergangenen 40 Jahren die größten Herausforderungen für die KU?

Gien: In jüngerer Zeit sicher die Etablierung personeller Kontinuität an der Spitze und damit auch die der inhaltlichen Beständigkeit der ganzen Einrichtung. Ich bin seit 2014 Präsidentin, davor gab es bekanntlich jahrelang Wechsel in der Uni-Leitung. Was im Vergleich zur Gründungsphase längst keine Rolle mehr spielt, ist die Frage nach der Akzeptanz einer katholischen Uni: Wir sind vollwertiges Mitglied im Kreise der Universitäten - in Bayern, Deutschland und international. Das hat jüngst auch der Zuschlag für uns im bundesweiten Wettbewerb um Tenure-Track-Professuren im Bereich Digitalisierung gezeigt.

KNA: Und welche Hürden gibt es heute?

Gien: Erstens wurden wir als Lehr-Uni gegründet und wandeln uns seit Langem zur Forschungs-Uni. Da stehen wir in großem Wettbewerb mit anderen Einrichtungen. Bei der Gewinnung neuer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir zunehmend mit der Tatsache einer säkularisierten Welt konfrontiert. Das stellt uns noch mehr vor die Herausforderung, verstärkt Selbstverpflichtungen und Werteeinstellungen zum Gegenstand in Berufungsprozessen zu machen und weniger die Kirchenmitgliedschaft.

KNA: Und zweitens?

Gien: Wegen unserer privaten Trägerschaft können wir nicht umfassend an staatlichen Wettbewerben etwa zur Förderung von Forschungsvorhaben teilnehmen. In dieser Frage wirken wir bei den öffentlichen Stellen seit einiger Zeit auf die Änderung der Rechtsvorschriften hin. Die Unterstützung aus den Ministerien ist grundsätzlich da, allein die Bürokratie bewegt sich langsam.

KNA: Ein Blick in die Zukunft, zuerst in die nächste: Ist die KU für ein coronabedingt komplett digitales Sommersemester gerüstet?

Gien: Ja, wir haben dafür die technischen Voraussetzungen. Kameras, Software, Lernplattformen - alles da. Sicher noch ausbauen müssen wir die Bedien-Kompetenzen beim Lehrpersonal. Daran arbeiten wir gerade, zum Beispiel über Onlinevideos. Die Studentinnen und Studenten sind da eh fit. Für viele von ihnen, gerade in den Geisteswissenschaften, eröffnet die Coronakrise auch neue Möglichkeiten des selbstgeleiteten Lernens, etwa durch eigene Textarbeit. Das ist gar nicht schlecht, weil förderlich für die Selbstständigkeit.

KNA: Und noch weitergedacht: Was sind die wichtigsten Baustellen bis zum 50. Geburtstag?

Gien: Wesentlich für uns ist stets eine finanzielle Absicherung über mindestens zehn Jahre. Hochschulentwicklung kann nur langfristig und strategisch ausgerichtet sein. Nur eine gute katholische Uni ist eine, auf die man hört. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die finanzielle Ausstattung, die es einem wiederum ermöglicht, gute Köpfe für die Universität zu gewinnen und konkurrenzfähig zu bleiben. Der anstehende Kirchensteuer-Rückgang darf daher kein Bedrohungspotenzial für uns sein. Überdies brauchen wir weitere Standorte im urbaneren Raum.

KNA: Was schwebt Ihnen vor?

Gien: Am besten wären zusätzliche Campus in Berlin und Rom. Das brächte uns näher an die große Politik heran und ans Herz der Kirche. Dadurch könnten wir unsere Wirkmacht verstärken. Auch rein praktisch gäbe es Vorteile: bessere Anreisemöglichkeiten, mehr Hotels und größere Konferenzräume etwa.

Das Interview führte Christopher Beschnitt.


Quelle:
KNA