Neuer Sammelband über berühmte Leuchterfigur im Erfurter Dom

Wortkarger Wolfram gibt ein paar Geheimnisse preis

Vor vier Jahren sorgte die Hypothese, der berühmte Wolfram-Leuchter im Erfurter Dom könne jüdisches Ursprungs und Raubgut sein, für Wirbel. Es war der Auftakt neuer Forschung, deren Ergebnisse jetzt als Buch vorliegen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Wolfram-Leuchter im Erfurter Dom / © Roger Hagmann (KNA)
Wolfram-Leuchter im Erfurter Dom / © Roger Hagmann ( KNA )

Der Kabarettist und Musiker Rainald Grebe beschreibt in seinem Lied "Wortkarger Wolfram" den Menschenschlag in Thüringen. Es passt auch gut zum berühmten mittelalterlichen Wolfram-Leuchter im katholischen Erfurter Dom - dieser gibt ebenfalls wenig von sich preis, und das wirft viele Fragen auf.

Vor vier Jahren sorgte eine Hypothese, aufgestellt von einer Forschergruppe um den Religionswissenschaftler Jörg Rüpke vom Erfurter Max-Weber-Kolleg, für kurzfristigen Wirbel um die älteste freistehende Bronzeskulptur eines Menschen, die aus dem hochmittelalterlichen Europa erhalten ist.

Wolfram ist jüdischen Ursprungs und stellt eigentlich den biblischen Hohepriester Aaron dar - so die wissenschaftliche Vermutung Rüpkes. Möglicherweise sei die lebensgroße Figur im Zuge des Judenpogroms von 1349 in den Erfurter Mariendom gelangt - als "Plündergut".

Kontroverse über Rückgabe an Jüdische Landesgemeinde

Unversehens wähnten einige in der Hypothese bereits Gewissheit und brachen eine Kontroverse über eine Rückgabe an die Jüdische Landesgemeinde vom Zaun. Doch bereits wenige Monate später ergab eine strahlendiagnostische Analyse zweifelsfrei: Wolfram hat keine jüdischen Wurzeln, er wurde um 1170 in einem Rutsch gegossen - inklusive der lateinischen Inschrift, die neben den Namen der Stifter, Wolfram und Hiltiburc, noch eine Fürbitte an die Gottesmutter Maria enthält.

Doch Rüpkes Hypothese brachte darüber hinaus neuen Schwung in die Forschung zum Wolfram-Leuchter. Bei einem nicht öffentlichen, wissenschaftlichen Kolloquium Ende August 2016 tauschten Akademiker der unterschiedlichsten Disziplinen ihre jüngsten Erkenntnisse aus.

Forschungsergebnisse in Sammelband

Jetzt hat der "Verein für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt" die Ergebnisse in einem elf Aufsätze umfassenden Sammelband auf 277 Seiten mit 102 meist farbigen Abbildungen veröffentlicht. Am Dienstag wurde die Publikation der Öffentlichkeit in Erfurt vorgestellt.

Der wortkarge Wolfram gibt nun offenbar ein paar seiner Geheimnisse preis. So erläuterte Mitherausgeber Karl Heinemeyer, dass ebenfalls zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass das romanische Kunstwerk eine hochgestellte, weltliche Figur darstelle: "Alle Überlegungen der vergangenen 200 Jahre, dass es sich um einen Geistlichen, Heiligen oder gar Christus handeln könne, sind damit erledigt." Wolfram Weltlichkeit entlarvte demnach seine Kleidung sowie sein "aufwendig frisiertes Haupt- und Barthaar" - zu stylisch für die Geistlichkeit.

Einigkeit erzielten die Forscher ferner in der Feststellung, dass die "Wolfram"-Figur sehr wahrscheinlich nicht den Stifter Wolfram darstellt und wohl überhaupt keine historische Figur, sondern einen sogenannten stummen Diener, der in seinen Händen lichtspendende Kerzen hält. Die lateinische Inschrift, die übersetzt heißt: "Bitte für uns, heilige Gottesgebärerin, dass wir würdig werden der Gnade Gottes", lege nahe, dass der Leuchter auf eine Marienfigur hin ausgerichtet war. Nachweislich stand der Leuchter anfangs im Erfurter Mariendom auf dem Hochaltar.

Wer war Wolfram?

Aber was wäre ein echter Thüringer Wolfram, wenn er nicht noch ein paar Geheimnisse für sich behielte: Ungeklärt ist laut dem Kunstbeauftragte des Bistums Erfurt, Falko Bornschein, nach wie vor die Frage, wer dieser Wolfram, der das wertvolle Kunstwerk für den Neubau des Erfurter Doms stiftete, tatsächlich war. Warum haben Wolframs Kopf und Hände eine andere Legierung als der Rest der Plastik - und warum wurden sie separat gefertigt?

Und nicht zuletzt treibt die Experten die Frage um: "Wo wurde die 276 Kilo schwere Bronzefigur gegossen?" Bekannt war in jener Zeit die Magdeburger Gießerhütte. Offen sei aber, ob das im 11. und 12. Jahrhundert zunehmend prosperierende Erfurt nicht auch eine eigene Gießerhütte hatte? Die Quellenlage aus dieser Zeit ist dünn.

Umso mehr freut, dass im Zuge der Wolfram-Forschung quasi als "Beifang" eine Zusammenschau über die Situation und Bedeutung Erfurts in jener Zeit entstand. So diente die Stadt als wichtiger "Außenposten" des mächtigen Mainzer Erzbischofs, wiederholt fanden hier Hof- und Reichstage statt, dreimal feierte der Kaiser in Erfurt Weihnachten.

Wolfram sei Dank, wissen wir nun: Erfurt war eine Metropole von europäischem Rang.


Quelle:
KNA