In einem Interview-Buch blickt Kardinal Lehmann zurück

"Hier ist Heimat"

Kurz vor seinem 80. Geburtstag lässt Kardinal Karl Lehmann in einem Interview-Buch tief blicken. Auch in die Beziehung zu so unterschiedlichen Wegbegleitern wie Jürgen Klopp und dem früheren Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner.

Autor/in:
Peter de Groot
Kardinal Lehmann / © Fredrik von Erichsen (dpa)
Kardinal Lehmann / © Fredrik von Erichsen ( dpa )

"Ich habe immer einen langen Atem gehabt", sagt Karl Kardinal Lehmann. "Mit langem Atem" ist denn auch der Titel eines neuen Interview-Buchs - eines von drei Büchern aus dem Herder-Verlag zu Lehmanns 80. Geburtstag am Pfingstmontag. Auf 272 Seiten beantwortet der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Fragen des ehemaligen ZDF-Intendanten Markus Schächter.

Vom Zweiten Vatikanischen Konzil bis zu Mainz 05

Da geht es etwa um Fragen zu Herkunft und Vorbildern, zum Zweiten Vatikanischen Konzil und zur Würzburger Synode, zum Wechsel vom Lehrstuhl ins Bischofsamt, zur Ökumene und zu seiner Zeit an der Spitze der Bischofskonferenz. Und, und, und... Ausführlich - mit langem Atem auch hier - steht Lehmann Rede und Antwort. Und lässt dabei ein ums andere Mal tief blicken, gelegentlich auch zwischen den Zeilen. Besonders viel Aufmerksamkeit werden vermutlich seine Äußerungen zu unterschiedlichen Weggefährten hervorrufen.

Ein Beispiel: Fußballtrainer Jürgen Klopp, der nicht nur aus seinen Zeiten bei Mainz 05 Lehmanns höchstes Ansehen genießt. Klopp sei sehr sozial engagiert und gehöre zu den Menschen, "die eine tiefe christliche Substanz in sich tragen". Er schätze ihn auch, so Lehmann, weil Klopp fast wie ein Vater zu jungen Spielern sei, andererseits aber auch eine klare Führungsrolle ausfülle.

Kontroversen mit Seelsorger Meisner

Ein anderes Beispiel: Joachim Kardinal Meisner. Natürlich habe er mit ihm häufiger Meinungsverschiedenheiten gehabt, so Lehmann: " Aber er war für mich ein Mann, mit dem man - auch in kontroversen Fragen - immer reden konnte." Meisner sei im Grunde ein Seelsorger, der immer auch eine "gewisse pastorale Pragmatik" vertrete.

Es habe aber auch andere Leute gegeben, berichtet Lehmann, die hätten eine "steile Kirchenpolitik" im Kopf gehabt, von der es keine Abweichung habe geben sollen. Diese Opposition war laut Lehmann "hart, auch weil ihre Vertreter viel mit der Nähe zu Personen in Rom und mit dem Wissen, wie es in Rom läuft, gearbeitet haben". Aber, so der Kardinal wörtlich, "dafür nenne ich von mir aus keine Namen".

Kein Blatt vor den Mund nimmt Lehmann mit Blick auf die Veränderung pastoraler Strukturen hin zu größeren Seelsorgeeinheiten und zur Praxis von Bischofsernennungen. "Diese Riesengemeinden XXL, das ist nicht unser Ding", sagt der Kardinal. Und was die Ernennung von Bischöfen angeht, habe es in den letzten Jahren offenbar Listen gegeben, "wo alle Kandidaten, die von den hiesigen Domkapiteln vorgeschlagen wurden, gestrichen wurden und eine ganz neue Liste aus Rom zurückkam". Wenn dem wirklich so sei, "dann ist das", so Lehmann, "eine schwer erträgliche Missachtung der Kirche im Land".

Franziskus ist "Geschenk"

Das für die Kirche in Zukunft "wichtigste Kraftzentrum" ist für Lehmann "einfach die glaubwürdig gelebte, alltägliche Existenz der Menschen". Neben solch gelebtem Zeugnis möglichst vieler Menschen in den Pfarreien gebe der Blick auf die Weltkirche große Kraft. Mit Papst Franziskus stehe dieser eine charismatische und glaubwürdige Persönlichkeit vor, die Glauben beispielhaft lebe und mit der Vorstellung einer dienenden Kirche für viele Menschen anziehend wirke, hebt Lehmann hervor und spricht von einem "Geschenk in dieser Situation".

Von diesem Papst erhofft sich der Kardinal auch Impulse gegen den Priestermangel: Man müsse sich fragen, ob es nicht unterschiedliche Modelle von Priestertum gebe. Er meine Anzeichen dafür zu sehen, dass  Franziskus mindestens für die Diskussion über die bisher nicht erlaubte Priesterweihe von in Ehe und Beruf bewährten Männern (viri probati) offen sei - vielleicht auch für ein begrenztes Experiment. Zugleich aber macht Lehmann deutlich, dass es ihm nicht um eine Abschaffung der zölibatären Lebensform geht. Sie gehöre zur Kirche.

Lehmann wird nach seinem Ausscheiden aus dem Bischofsamt weiter im Bischofshaus wohnen, bei seinen 120.000 Büchern, aber eben auch in Mainz. An keinem Ort habe er so lange gewohnt, und er möge die Mainzer Lebensart, sagt Lehmann in dem Interview-Buch: "Man kann sich hier aufeinander verlassen. Man weiß, wohin man gehört. Es gibt hier eine freundliche Offenheit. Hier ist Heimat."


Quelle:
KNA