Erzbischof Thissen leitet seit 10 Jahren das Erzbistum Hamburg

Pragmatisch denkender Theologe

Seit genau zehn Jahren ist Werner Thissen Erzbischof von Deutschlands nördlichster Diözese, dem Erzbistum Hamburg. In dem Jahrzehnt hat der 74-Jährige dem Nordbistum seinen Stempel aufgedrückt.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Januar 2003 wurde der in Kleve am Niederrhein geborene promovierte Theologe als Nachfolger von Erzbischof Ludwig Averkamp eingeführt. Mit fast 33.000 Quadratkilometern ist das 1995 geschaffene Erzbistum zwar die flächenmäßig größte deutsche Diözese, doch gehört sie mit ihren gut 393.000 Katholiken in Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Landesteil Mecklenburg klar zur Diaspora. Für Thissen mag der Übergang vom katholisch grundierten Bistum Münster, wo er Generalvikar und schließlich Weihbischof war, eine Art Kulturschock gewesen sein. "Ich kannte den Norden kaum und habe deshalb völlig unvoreingenommen mit dem Dienst hier beginnen können", sagt er rückblickend. "Von Anfang an war ich davon angetan, wie einsatzfreudig und kreativ sich unsere Kirche in der Diaspora verhält."

Dass sich die katholische Kirche im Norden jedoch viel mehr anstrengen muss, um öffentlich gehört zu werden, hat der pragmatisch denkende Theologe, dessen Eltern ein Schuhgeschäft hatten, rasch begriffen. Nicht nur deshalb misst er den zahlreichen ökumenischen Initiativen hohe Bedeutung bei. Auch ließ Thissen etwa durch seine deutliche Kritik an der geplanten Wiedereingliederung der erzkonservativen Piusbrüder und deren den Holocaust leugnenden Bischof Richard Williamson aufhorchen. Als der Fall vor fast genau vier Jahren bekannt wurde, besuchte er auch den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hamburg, um ihm sein Bedauern auszudrücken. Ebenso schaut Thissen über den kirchlichen Tellerrand hinaus, meldet sich in Sachen Kunst, Kultur und auch Fußball zu Wort.

Schwierige Entscheidungen

Aber auch Schmerzliches gab es für das Erzbistum seit 2003: So wurde die Zahl der Pfarrgemeinden vor allem im Hinblick auf den demografischen Wandel und den Priestermangel von 166 auf 89 reduziert. Die Zahl der Katholiken hat sich dagegen sogar erhöht - sicher auch Folge des Hamburg-Booms und der Zuwanderung aus Ländern wie Polen oder Portugal.

Als seine schwierigste Entscheidung der letzten Jahre sieht Thissen, dass die geplante katholische Schule in Kiel nicht zustande kam. "Sie lag mir sehr am Herzen, war vor Ort gut vorbereitet, überforderte aber letztendlich unsere finanziellen Möglichkeiten." Statt dessen wurde 2011 in Lübeck die katholische Johannes-Prassek-Schule gegründet. Sie ist benannt nach einem der Lübecker Märtyrer, drei katholischen und einem evangelischen Geistlichen, die für ihren gemeinsamen Widerstand gegen die Nationalsozialisten 1943 ermordet wurden. Im Juni 2011 wurden die drei Kapläne seliggesprochen, der evangelische Pfarrer erhielt ein ehrendes Gedenken, da seine Kirche keine Seligsprechungen kennt. Thissen hatte sich von Anfang an für die offizielle kirchliche Anerkennung der ungewöhnlichen ökumenischen Widerstandskämpfer eingesetzt.

Noch zwei Großereignisse warten

Für die Zeit bis zu seinem 75. Geburtstag am 3. Dezember, an dem Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt anbieten müssen, hat Thissen noch eine volle Agenda, darunter zwei Großereignisse: die Internationale Gartenschau (igs), an der sich die Kirchen mit einem eigenen ökumenischen Programmschwerpunkt beteiligen, und der Evangelische Kirchentag vom 1. bis 5. Mai. Außerdem gilt es, den Dialogprozess im Erzbistum weiter voranzutreiben. Zudem ist Thissen "Misereor-Bischof" der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Funktion setzt er sich immer wieder für Klimaschutz, bewussteren Konsum und faire Arbeitsbedingungen ein.

Seine Amtseinführung vor zehn Jahren erfolgte laut römischem Kalender an "Pauli Bekehrung". Erzbischof Thissen: "Der 25. Januar als Fest der Bekehrung des Apostels Paulus ist für mich ein starker Impuls, der mir sagt: Du musst dich immer wieder bekehren, dich immer neu hinwenden zu Christus." Am Jubiläumstag ist Thissen dienstlich in Berlin. Eine Feier sei nicht geplant, hieß es.


Quelle:
KNA