Bischof Ulrich Neymeyr über sein Jubiläum im Bistum Erfurt

"Nach fünf Jahren gehöre ich dazu"

Für Bischof Ulrich Neymeyr war es eine große Umstellung, vom Bistum Mainz nach Erfurt zu wechseln, denn er "kannte nichts und niemanden". Im Interview blickt er auf fünf Jahre Amtszeit und manch ökumenisches Selbstverständnis zurück.

Bischof Ulrich Neymeyr / © Michael Reichel (dpa)
Bischof Ulrich Neymeyr / © Michael Reichel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Vor fünf Jahren haben Sie Ihr Amt als Bischof von Erfurt angetreten. Sie sind als Weihbischof aus Mainz nach Thüringen gekommen. Was haben Sie damals gedacht? Das ist ja eine ziemliche Umstellung.

Bischof Ulrich Neymeyr (Bischof in Erfurt): Ja, das ist eine große Umstellung, weil ich ja nichts und niemanden kannte. Es war schon eine Strapaze, die Menschen, die Orte und die Sachverhalte kennenzulernen. Ich habe aber festgestellt, dass es keine grundlegenden Unterschiede zum Bistum Mainz gibt. Allerdings gibt es hier weniger Katholiken in der Diaspora, nämlich nur etwa sieben Prozent. In einem Landkreis im Eichsfeld sind es dann achtzig Prozent Katholiken. Das ist eine neue Erfahrung für mich.

Wiederum sind die damit verbundenen pastoralen Herausforderungen ähnlich. Der große Unterschied liegt eigentlich darin, dass ich in einem anderen politischen System groß geworden bin. Viele der Priester und Verantwortlichen im Bistum haben eine DDR-Biografie. Diesen Punkt habe ich im Kreis der Pfarrer erwähnt und spontan sagte einer, dass es kein Fehler sei. Man hat hier also Verständnis füreinander und geht aufeinander zu. Jetzt nach fünf Jahren kann ich sagen, dass ich dazugehöre.

DOMRADIO.DE: Was muss man als Diaspora-Bischof lernen, was Sie vielleicht vorher nicht erwartet hätten?

Neymeyr: Ich lerne hier eine Bekenner-Kirche kennen. Diejenigen, die zu DDR-Zeiten unter den Bedingungen der SED-Diktatur Christen und katholisch waren, haben dafür einen Preis bezahlt. Entweder kamen sie beruflich nicht voran oder die Kinder konnten kein Abitur machen. Es ist also schon eine Bekenner-Kirche.

Dann muss ich mit den Herausforderungen der Diaspora, die es auch in anderen Gegenden in Norddeutschland gibt, zurechtkommen. Es sind teilweise große Entfernungen zwischen den einzelnen Kirchorten, die zurückgelegt werden müssen. Es sind kleine, aber auch überzeugte katholische Gemeinschaften. Wenn man das so sagen kann, ist es eine positive Nachwirkung der Diskriminierung der Christen in der DDR, dass es ein ganz selbstverständliches ökumenisches Miteinander gibt.

DOMRADIO.DE: Das ist im Prinzip eine Entwicklung, die wir auch im Rest des Landes haben - die immer weiter fortschreitende Säkularisierung. Die Entfernungen werden größer, die Gemeinden werden immer kleiner. Kann man sich von dieser Art Kirche zu sein etwas abgucken?

Neymeyr: Ja, ich glaube schon. Zum einen herrscht eine Bescheidenheit aufgrund der Möglichkeiten, die wir haben. Dann gibt es auch eine Toleranz den Menschen gegenüber, die zum Teil seit Generationen keine Religion haben. Wir bemühen uns immer zu fragen, an welcher Stelle wir die Menschen eingeladen und damit Anknüpfungspunkte setzen können, für diejenigen, die uns kennenlernen möchten.

Wir präsentieren uns diesen Menschen in aller Bescheidenheit und nicht mit dem Hintergedanken, dass sie alle bald getauft werden. Sondern eher wie die Franzosen sagen "Proposer la foi dans la société actuelle": Den Glauben in der heutigen Gesellschaft anbieten.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch


Quelle:
DR