Bischof Hofmann über das Leben als Bischof im Ruhestand

"Wie eine Frau, die man verlässt"

Vor zwei Jahren ist Friedhelm Hofmann als Bischof von Würzburg in den Ruhestand gegangen. Wie fühlt sich der Ruhestand für einen Bischof an? Hat man das Gefühl, gebraucht zu werden? Oder wird man abgeschoben?

Hofmann beim Eucharistischen Kongress 2013 / © Harald Oppitz (KNA)
Hofmann beim Eucharistischen Kongress 2013 / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Blicken wir vorab nochmal kurz zurück: Sie waren von 2004 bis 2017 der Bischof von Würzburg und sind inzwischen emeritiert. Wie war das für Sie, vor zwei Jahren in den Ruhestand zu gehen? Was für Gefühle hatten Sie dabei?  

Bischof Dr. Friedhelm Hofmann (emeritierter Bischof von Würzburg): Das war gar nicht so einfach. Mir hatten zwar Kollegen gesagt, man würde sich über den Ruhestand freuen können, weil man doch viel mehr Zeit habe, auch den eigenen Neigungen nachzugehen. Aber ein Bistum ist so etwas wie eine Frau, die man verlässt. Das ist irgendwo doch auch schmerzhaft.

DOMRADIO.DE: Also sind es tatsächlich schmerzhafte Gefühle, die Sie damit verbinden, wenn Sie zurückblicken?

Bischof Hofmann: Ich denke, es war eine wunderbare Zeit in Würzburg. Die Menschen sind so offen und freundlich, dass ich auch gerne hier geblieben bin und nicht nach Köln zurückgegangen bin. Es zeigt sich auch jetzt, dass der Kontakt mit den Menschen ungebrochen ist und dass ich Möglichkeiten habe, auch im Alter Menschen zu helfen, ihnen beizustehen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Das freut mich natürlich sehr.

DOMRADIO.DE: Haben Sie jetzt im Ruhestand auch mehr Zeit für sich selber?

Bischof Hofmann: Das würde ich so nicht sagen. Man braucht vielleicht ein bisschen mehr Zeit für sich selber. Alle einfachen Vorgänge sind einfach langsamer zu erledigen. Im Grunde sind aber noch immer so viele Anfragen und Einladungen da, dass ich durchaus einen gefüllten Tag habe.

DOMRADIO.DE: Sie haben also gar nicht das Gefühl, im Ruhestand zu sein?

Bischof Hofmann: Nein, im Grunde nicht. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich fühle mich auch noch nicht so alt wie ich bin. Das kommt auch dazu.

DOMRADIO.DE: Ruhestand ist eigentlich auch ein schreckliches Wort. So viel Ruhe will man ja gar nicht – und stehen bleiben erst recht nicht.

Bischof Hofmann: Das Schöne an diesem sogenannten Ruhestand ist, dass man tatsächlich einmal über Probleme nachdenken kann. Man kann sich die Zeit nehmen, anderen wirklich im konkreten Tun beizustehen. Das geht natürlich weit über das hinaus, was ich vorher im Amt tun konnte.

DOMRADIO.DE: Wie ist es denn in unserer heutigen Gesellschaft: Wird man im Alter eher als weise angesehen oder doch abgeschrieben?

Bischof Hofmann: Ich glaube, dass beides zutrifft. Einerseits kommen Leute, die die Erfahrungen hören wollen. Andererseits gibt es sicherlich auch Menschen, die einen so abschreiben und sagen: Der hat ja jetzt nicht mehr das Sagen, der kann ja nichts mehr verändern. Aber ich habe das persönlich nicht erlebt, muss ich sagen.

DOMRADIO.DE: In anderen Ländern und Kulturen sieht das ja anders aus. Da wird, zumindest hat man das Empfinden, Wissen und Lebenserfahrung deutlich mehr wertgeschätzt als in Deutschland. Glauben Sie, da gibt es einen Grund für?

Bischof Hofmann: Ich denke schon, dass hier mehr Gewicht auf diese aktive Seite Gewicht gelegt wird. Man will die Power, man will, dass etwas verändert wird, dass sich etwas weiterentwickelt. Aber dass man zurückschaut und aus den Erfahrungen des eigenen Lebens auch grundsätzliche Ratschläge gibt – ich denke, das ist nicht so gewünscht.

DOMRADIO.DE: Der ebenfalls emeritierte Erzbischof Robert Zollitsch hat 2018 eingeführt, dass sich nicht nur die aktuellen Bischöfe regelmäßig treffen sondern auch die emeritierten. Da kommt dann ein geballter Erfahrungsschatz zusammen. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Meinungen und Ansichten von den derzeitigen Bischöfen und von der Kirchenleitung gehört werden?

Bischof Hofmann: Das kann ich nicht mit einfachen "Ja" beantworten. Es ist sicher so, dass dieses Treffen, das Erzbischof Zollitsch ermöglicht hat, den vielen emeritierten Bischöfen die Möglichkeit gibt, über den eigenen Lebensabschnitt zu sprechen. Aber unser Denken wird sicherlich auch von der Bischofskonferenz wahrgenommen. Wir haben ja auch Kontakt mit den einzelnen Bischöfen. Aber es wird nicht offiziell eingefordert.

DOMRADIO.DE: Nun gibt es ja viele junge Bischöfe, die die Bistümer in Deutschland übernommen haben. Werden Sie da persönlich um Rat gefragt?

Bischof Hofmann: Es kommt schon vor, dass man Anfragen hört: Wie kann man sich hier verhalten? Da geht es um Managementfragen, aber auch um seelsorglichen Fragen: Wie geht man in dem einen oder anderen Falle wirklich mit dem um, der die Hilfe braucht? Was kann man machen? Wie weit kann man gehen? Wo überschreitet man Grenzen? Das ist sicherlich schon ein Fragenkomplex.

DOMRADIO.DE: Da blicken wir noch mal kurz auf unsere Gesellschaft: Wie wird sich die Einstellung zum Alter ändern?

DOMRADIO.DE: Ich denke, die zahl der Menschen die älter werden, nimmt zu. Es werden immer mehr Leute sein, die alt werden. Das wird ein größeres Gewicht in der Gesellschaft sein. Wie kann man wirklich sinnvoll mit alten Menschen umgehen? Welche Leute kommen, um ihnen zu helfen? Wie müssen wir auch in der Politik reagieren, um da Weichen zu stellen? Ich denke schon die Frage danach, dass man alten Menschen auch weiterhin hört, wird zunehmen. Die Kirche kann auch ihren Teil dazu beitragen.

Wir hatten ja früher die Möglichkeit, dass Bischöfe bis zum Tode im Amt blieben. Das ist zum Glück geändert worden. Jetzt reicht man mit 75 Jahren seinen Rücktritt ein. Dann hat man es aber auch verdient, dass man einmal durchschnaufen kann und dass man die Welt mit anderen Augen ansehen kann.


Quelle:
DR