Wie ein Journalist den Schüler Reinhard Marx inspirierte

Ermutigung fürs Leben

Reinhard Raffalt war ein Mann mit vielen Begabungen. Mit seinen Büchern, Hörfunksendungen und Filmen erreichte er in gut 30 Jahren Millionen und begeisterte für Italien, Bayern und den Barock. Und auch den Schüler Reinhard Marx.

Autor/in:
Barbara Just
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Corina Greiling (KNA)
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Corina Greiling ( KNA )

Es war im April 1971, als die ARD den Zweiteiler "Der Verfall der römischen Tradition in der katholischen Kirche" zeigte. Verantwortlich zeichnete der Kulturjournalist Reinhard Raffalt (1923-1976). Er beschäftigte sich in den jeweils eine Stunde dauernden Filmen mit den Folgen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Die Resonanz war gewaltig. Einige Zuschauer monierten, dass hier das vermeintlich Römische dem Christlichen übergeordnet werde. Andere beglückwünschten den Macher, dass er sachlich viele heiße Eisen aufgegriffen habe.

Reinhard Marx schrieb ihm Briefe

Unter jenen, die diese Sachlichkeit schätzten, die jedoch weiter umtrieb, was sie gesehen hatten, war ein 17-jähriger Gymnasiast aus Geseke. Dieser trug sich bereits mit dem Gedanken, Priester zu werden, und schrieb an den Autor: "Es hat mir sehr gefallen, daß Sie nicht - was sehr leicht wäre - einfach die sogenannten Progressiven in Bausch und Bogen verurteilt haben, sondern gerade auch die kritisiert haben, die sich konservativ nennen und die nicht die schöpferische Kraft aufbringen, diese Tradition fortzuführen."

Der einstige Schüler heißt Reinhard Marx, ist heute Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und steht an der Spitze des Erzbistums München und Freising. Am Montagabend war der Kardinal in München Ehrengast bei der Präsentation des Buchs "Ein Leben für die Kultur", erschienen im Verlag Friedrich Pustet in Regensburg. Es ist die Doktorarbeit des 1985 im Chiemgau geborenen Julian Traut. Der Historiker hat sich mit Raffalt beschäftigt - einem Mann, der mit vielen Begabungen gesegnet war und der lange als "Bayerns Stimme in Rom" galt.

Begeisterung für Geschichte und Kunst

Der aus Passau stammende Raffalt war ein klassischer Bildungsbürger alten Schlags. Aus einem katholischen Elternhaus stammend, erfuhr er eine humanistische und kirchenmusikalische Ausbildung. Vor allem aber war er ein exzellenter Schreiber. Mit seiner prägnanten Sprache verstand er es, die Menschen für Geschichte und Kunst zu begeistern. Seine Hörbilder im Bayerischen Rundfunk (BR) prägte eine Stimmer mit weichem bayerisch-österreichischen Timbre. Die Sendungen waren Kult, manche werden bis heute bei Familien auf alten Tonbändern in Ehren gehalten.

Den Marx-Brief fand Traut im persönlichen Nachlass von Raffalt. Der Kulturjournalist verfügte über ein großes Netzwerk von Personen aus Politik, Kirche und Gesellschaft. Er sei ein Freigeist gewesen, der ein besonderes Gefühl für Heimat hatte, so der Wissenschaftler. Bayern sei seine "irdisch-materielle Heimat" gewesen, Rom, wo er ab 1951 lange lebte, seine "geistig-ideelle".

Reiseführer über die Ewige Stadt

Raffalts Ideen waren in der Kulturpolitik in München genauso gefragt wie bei der Katholischen Akademie in Bayern und der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Sogar zum "Sonderbeauftragten für den Aufbau der Kulturinstitute in Asien und Afrika" brachte er es sowie zum Berater bei der Gründung des BR-Auslandsstudios in Rom. Seine Reiseführer über die Ewige Stadt und andere italienische Themen im Prestel-Verlag verkauften sich gut. Auch ein Politiker wie Franz Josef Strauß wusste Raffalts Wissen und Vermittlungsfähigkeiten zu schätzen. Mit seiner Familie ließ er sich von dem Journalisten persönlich übers Forum Romanum führen.

Traut sieht in Raffalt einen Individualisten des "ausklingenden bürgerlichen Zeitalters". Mit den gesellschaftlichen Veränderungen in den 1960er Jahren tat er sich schwer. Ab dem 50. Lebensjahr nahm seine Bereitschaft ab, sich auf neue Themen einzulassen. So hatte er innerkirchlich mit der neuen Liturgie und der Ostpolitik des Vatikan seine Probleme.

Kardinal Marx: Konservativ heiße nicht nostalgisch

Marx erhielt damals auch einen Antwortbrief von Raffalt, in dem ihn dieser ermutigte, Priester zu werden. Er zog seine eigenen Konsequenzen. Für ihn heißt "konservativ sein" heute, nicht nostalgisch zurückzublicken, so der Kardinal. Vielmehr sollte man sich als Katholik bewusst sein, auf welchem großen Fundament und Schatz die Kirche stehe und deshalb lebensbejahend und mit Hoffnung nach vorne blicken. Denn Christus komme "von vorne" und nicht von hinten auf einen zu.


Quelle:
KNA