Fuldaer Bischof Gerber 100 Tage im Amt

Angekommen, aber nicht ausgepackt

Deutschlands jüngster leitender Bischof in der katholischen Kirche steht im kleinsten Bistum Westdeutschlands vor großen Aufgaben: Michael Gerber ist als Kirchen-Manager bei Umbauprozessen gefordert.

Autor/in:
Jörn Perske
Bischof Gerber im Bischofshaus in Fulda / © Angelika Zinzow (KNA)
Bischof Gerber im Bischofshaus in Fulda / © Angelika Zinzow ( KNA )

In seinem privaten Büro türmen sich noch die Umzugskartons. Michael Gerber ist am Dienstag 100 Tage im Amt als neuer Bischof im Bistum Fulda. "Ich bin zwar angekommen, aber alles ausgepackt habe ich noch nicht. Das wird wohl noch etwas dauern", sagt er und öffnet einen Pappkarton. Ihm fehle derzeit einfach die Zeit. Er habe nicht selten Arbeitstage, die sich über 14 Stunden erstreckten. "Das geht schnell", sagt Gerber, "aber das bin ich gewohnt."

Der neue Oberhirte wurde am 31. März feierlich in sein Amt eingeführt. Zuvor war der gebürtige Schwarzwälder Weihbischof im Erzbistum Freiburg. In der osthessischen Domstadt folgte Gerber auf Heinz Josef Algermissen, der 2018 nach 17 Jahren als Fuldaer Bischof altersbedingt seinen Rücktritt einreichte. Gerber ist mit 49 Jahren der jüngste leitende Bischof der katholischen Kirche in Deutschland.

"Noch keinen Tag bereut"

Seinen Lebensmittelpunkt - den Schwarzwald - verlassen zu haben, habe er trotz der Verbundenheit zu seiner Heimat "noch keinen Tag bereut", wie er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte. "Ich fühle mich sehr wohl in Fulda und mit meiner neuen Aufgabe. Die Menschen hier sind mir sehr zugewandt. Dafür bin ich dankbar."

Zu Beginn war Gerber auf einigen Rundreisen durch sein Wirkungsgebiet unterwegs. Das Bistum Fulda erstreckt sich vom nordhessischen Bad Karlshafen bis in den Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim und von der Universitätsstadt Marburg in Oberhessen bis nach Geisa im Thüringer Land, insgesamt auf einer Fläche von rund 10 300 Quadratkilometern. Die Diözese zählt knapp 390 000 Mitglieder bei einer Gesamtbevölkerung von rund 1,72 Millionen Menschen. Das Bistum Fulda ist zwar das kleinste in Westdeutschland, betrachtet man die Bevölkerungs- und Katholikenzahlen. Aber es warten große Aufgaben.

Netzwerk-Strukturen eine große Aufgabe

Der neue Oberhirte ist vor allem als Kirchen-Manager gefragt. Das Bistum wird umstrukturiert. Die weitreichenden Umbauprozesse betreffen unter anderem die Verwaltung. Aber auch die Gläubigen vor Ort werden es bemerken.

Kirchengemeinden sollen unter anderem wegen des Priester-Mangels zusammengelegt werden. Aus aktuell 274 Pfarreien sollen am Ende 45 übrig bleiben. "Wir wollen größere Verbünde mit Netzwerk-Strukturen schaffen", erklärte Gerber. Doch das bedeutet auch: Kirche wird an gewohnten Orten weniger Angebote machen können."Netzwerk meint: Nicht an jedem Ort muss alles sein, die Orte verweisen aufeinander", so Gerber.

Die Entscheidungen - wer, wie, was, wann, wo - sollen im kommenden Jahr fallen. Diesen Umbau hatte bereits Gerbers Vorgänger Algermissen notwendigerweise angestoßen.

Die "jungen Menschen für die Kirche begeistern"

Ein Grund für den Umbau der Kirchen-Strukturen ist auch der stete Mitgliederschwund in der katholischen Kirche in Deutschland. Dem Aderlass entgegenzuwirken, fühlt sich Gerber verpflichtet. "Die Menschen müssen spüren, dass die Kirche und der Glaube Relevanz besitzt für ihr Leben." Vor allem bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen sieht Gerber Handlungsbedarf. "In der Jugendarbeit und für die Familien machen wir in Deutschland sehr gute Angebote. Doch dazwischen klafft eine Lücke. Mich beschäftigt die Frage: Wie können wir diese jungen Menschen für die Kirche begeistern."

Um junge Menschen adäquat ansprechen zu können, müsse die Kirche einige Schwerpunkte neu setzen, beurteilt der ehemalige Hochschulseelsorger. "Wir brauchen als Kirche auch Antworten auf die Fragen dieser Zeit. Da geht es ewa um Klimawandel, Extremismus und den Populismus in der Politik. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Die Zeiten werden für die Kirche und die Gesellschaft nicht ruhiger."

Auch Frauen an wichtigen Positionen einbinden

Gerber betonte aber, dass politische Parteien und selbst Sportverbände und -vereine vor ähnlichen Problemen stünden. Auch an diese Institutionen wollten sich immer weniger Menschen binden. "Wir müssen aber zeigen, dass es Menschen auch etwas gibt, wenn sie sich zum Beispiel ehrenamtlich engagieren."

Auch Frauen möchte Gerber verstärkt in die Kirchen-Arbeit an wichtigen Positionen einbinden. "Da ist in deutschlandweit betrachtet noch viel Luft nach oben. Auch in Kirchen-Verwaltungsräten etwa sollten Frauen Platz finden." Dass sie an entscheidender Stelle Verantwortung übernehmen sollen und Kirche mitgestalten können - davon ist Gerber überzeugt.

Kirchenrechtliche Grenzen bleiben bestehen

Aber bei der Frage des Priestertums für Frauen und Weiheämter für sie hört die Partizipation für Gerber auf: "Ich bin da skeptisch und sehe Schwierigkeiten." Das Problem sei halt, dass die Kirche ihrer langen Geschichte verpflichtet sei und die Gestaltungsräume für Frauen kirchenrechtlich einfach Grenzen habe. "Die Einheit der Kirche ist da für uns eine große Herausforderung. Einerseits geht es um die Einheit mit der Tradition und der Universalkirche, andererseits aber auch um die Einheit mit denjenigen, die enttäuscht sind von dem, was sie an strukturellen Veränderungen vermissen. Wir brauchen eine Diskussion über solche Fragen. Wir Bischöfe sollten damit ernsthaft und nicht beschwichtigend umgehen."

Im Interview gab Gerber auch Einblicke in sein Privatleben und sprach über Glücksgefühle, Luxus, Sport und Genuss: "Mir ist es wichtig, in lebendigen und tragfähigen Beziehungen zu stehen, in Freundschaften - auch wenn ich die Leute nicht so oft sehe. Mir sind Zeiten des Gebets und der Besinnung wichtig."

Predigt-Gedanken beim Ausdauersport

Auch körperlicher Ausgleich habe Bedeutung, so Gerber, der sich mit Wandern, Radtouren oder Skifahren fit hält: "Ich mag Ausdauersport. Dann bekomme ich den Kopf frei. Dabei fallen wir aber auch oft wichtige Predigt-Gedanken ein." Wenn er sich körperlich richtig herausgefordert habe, spüre er Glück: "Beim Wandern in den Alpen, wenn ich mal 1500 Höhenmeter bewältigt habe und der Körper richtig durchgepustet ist."

Glücksgefühle könne er aber auch in Gesprächen empfinden, "wenn sich mir und meinem Gegenüber neue Horizonte auftun". Angesprochen auf bischöfliche Privilegien, räumte Gerber ein, in seinem Amt viele Annehmlichkeiten zu erfahren, die andere nicht haben. Ihm sei aber wichtig, damit verantwortungsvoll umzugehen. Diese Dinge dürften nicht ihm persönlich dienen, sondern den Aufgaben, die er dann besser erledigen kann: "Ich habe zum Beispiel eine Sekretärin und einen Dienstwagen mit Fahrer. Ich bin aber auch mit der Bahncard 50 gern unterwegs, wenn es sich anbietet und praktisch ist."


Der Bischof von Fulda, Michael Gerber / © Angelika Zinzow (KNA)
Der Bischof von Fulda, Michael Gerber / © Angelika Zinzow ( KNA )

Michael Gerber vor dem Fuldaer Dom / © Bert Bostelmann (KNA)
Michael Gerber vor dem Fuldaer Dom / © Bert Bostelmann ( KNA )

Michael Gerber, Bischof von Fulda. / © Silas Stein (dpa)
Michael Gerber, Bischof von Fulda. / © Silas Stein ( dpa )
Quelle:
dpa