Vor 30 Jahren wurde Walter Kasper zum Bischof geweiht

Der Realist, der sich neue Ideen und Perspektiven wünscht

Zum Bischof geweiht wurde Walter Kasper 1989 am Tag der deutschen Einheit. Zehn Jahre später betraute ihn der Papst mit der Suche nach der Einheit der Christen. In Deutschland wie in Rom prägte er Kirchengeschichte mit.

Walter Kasper winkt den Gläubigen nach seiner Bischofsweihe und Amtseinführung 1989 / © Ernst Herb (KNA)
Walter Kasper winkt den Gläubigen nach seiner Bischofsweihe und Amtseinführung 1989 / © Ernst Herb ( KNA )

Es war der vorletzte "Tag der deutschen Einheit" dieses Datums, als Walter Kasper am 17. Juni 1989 zum Bischof geweiht wurde.

Welche Wenden das Jahr sonst bringen würde, ahnte damals keiner im Martins-Dom in Rottenburg. 30 Jahre ist dies nun her. Wenn Kasper – inzwischen Kardinal und von Rom kommend – in diesen Tagen durch seine deutsche Heimat tourt und dort Vorträge hält, kann der heute 86-Jährige Kirchengeschichte Revue passieren lassen.

TV-Duell mit Kirchenkritik

Die Jahre des deutschen Zusammenwachsens erlebte der gebürtige Heidenheimer, der im Allgäu aufwuchs, als Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Dabei erwarb sich der Theologieprofessor auf dem Bischofsstuhl, der zuvor in Münster und Tübingen lehrte, ähnliches Ansehen wie Karl Lehmann in Mainz. Im Februar 1992 etwa stellte Kasper sich im TV-Duell der Kirchenkritik des Paderborner Theologen und Psychoanalytikers Eugen Drewermann.

Im März 1999 holte Papst Johannes Paul II. den Dogmatiker in sein Ökumene-Team, den Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen. Nur ein halbes Jahr später, am 31. Oktober, durfte er in der Augsburger Sankt-Anna-Kirche die Gemeinsame Erklärung von Lutheranern und Katholiken zur Rechtfertigungslehre mit unterzeichnen.

Altersbedingter Rücktritt

Ein ökumenischer Meilenstein, mit dem der ursprüngliche theologische Stolperstein der Reformation Martin Luthers soweit aus dem Weg geräumt wurde, dass er nicht mehr als kirchentrennend gilt. Diesen ökumenischen Schwung brauchte Kasper, als er 2001 die Leitung des Päpstlichen Einheitsrates übernahm.

So brach nach der Errichtung katholischer Diözesen 2002 in Russland zwischen Rom und dem Moskauer Patriarchat eine Eiszeit aus. Als die Anglikaner in England Frauen zur Bischofsweihe zulassen wollten, warnte Kasper 2008 in London, damit verließen sie das gemeinsame kirchliche Fundament. Durch Besuche und Gespräche konnten er und sein späterer Nachfolger, der Schweizer Kurt Koch, Verstimmungen ausräumen und Vertrauen zurückgewinnen. Am 1. Juli 2010 schließlich nahm Benedikt XVI. den altersbedingten Rücktritt Kaspers vom Amt des "Ökumeneministers" an.

"Eine innere Nähe zu diesem Papst"

Als ältester Kardinal zog er im März 2013, kurz vor seinem 80. Geburtstag ins Konklave ein, das den Erzbischof von Buenos Aires zum aktuellen Nachfolger Petri wählte. Kasper hat "eine innere Nähe zu diesem Papst", wie er einmal bekannte. Franziskus habe etwas Prophetisches an sich. Dass dieser bei seinem ersten sonntäglichen Mittagsgebet Kaspers Buch über "Barmherzigkeit" lobte, überraschte den Autor völlig.

Auch wenn Kasper sich stets aus vatikanischen Fraktionen herauszuhalten suchte, gilt er heute in Kontroversen um Franziskus als dessen Mann. Zur Ankündigung der Familiensynode etwa beauftragte ihn der Papst mit dem programmatischen Einführungsreferat vor Kardinälen. Später verteidigte er die Synode und das Päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" nachdrücklich.

"Betrug des Antichrists"

Zuletzt war Kasper auch in einer Auseinandersetzung mit seinem römischen Nachbarn, dem ehemaligen Münchner Dogmatiker Kardinal Gerhard Ludwig Müller, zu vernehmen. Seit der Papst dessen Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation nicht verlängerte, sorgte Müller durch etliche kritische Stellungnahmen für Aufsehen.

Nach Kardinal Müllers implizit Franziskus-kritischem "Glaubensmanifest" vom Februar verfasste Kasper eine kurze Entgegnung. Weil Müller darin vom "Betrug des Antichrists" schrieb, fühlte Kasper sich an Luthers Kritik am Papst erinnert. Er wolle aber nicht glauben, dass Müller jemand sei, "der sich zu Recht für Reformen in der Kirche einsetzt, diese aber am Papst vorbei und gegen ihn durchsetzen will".

Gelebte Utopien

Auch wenn Kaspers Kondition altersbedingt nachgelassen hat, ist er weiter ein gefragter Gesprächspartner. Am Mittwoch etwa sagte er in Frankfurt am Main, er sei in den vergangenen 30 Jahren "Realist geworden". Er wolle nicht "in Utopien" leben – katholische Bischöfinnen etwa, erwarte er wenn überhaupt "in ein paar Jahrhunderten".

Wenn Kasper am 28. Juni in der Stuttgarter Kathedrale Sankt Eberhard noch einmal sein Bischofsjubiläum feiert – am 16. Juni tut er dies bereits in Rom –, könnte er seinen früheren Diözesanen freundlich gestehen, was ihn in diesen Jahren besonders bewegt: Die deutsche Kirche sei "in der Gefahr eines Rückbaus" ohne "Hoffnung auf einen neuen Aufbau", wie er kurz vor seinem 85. Geburtstag im März 2018 befand. Er wünsche sich "neuen Ideen und Perspektiven", die aber müssten "zuerst ein geistlicher Aufbruch sein, sonst läuft er ins Leere".


Festgottesdienst mit Bischofsweihe und Amtseinführung von Walter Kasper (r.) im Rottenburger Dom am 17. Juni 1989 / © Ernst Herb (KNA)
Festgottesdienst mit Bischofsweihe und Amtseinführung von Walter Kasper (r.) im Rottenburger Dom am 17. Juni 1989 / © Ernst Herb ( KNA )

Walter Kasper, emeritierter Kurienkardinal / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Walter Kasper, emeritierter Kurienkardinal / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA