"Aschermittwoch der Künstler": Bischöfe rufen zur Umkehr auf

Auch Forderungen an die Kirche

Jährlich zum Beginn der Fastenzeit begehen in mehreren Bistümern Kirche und Kunst den "Aschermittwoch der Künstler". Bischöfe haben in diesem Jahr unter anderem zur Umkehr aufgerufen, auch die Kirche müsse sich erneuern.

Asche / © Corinne Simon (KNA)
Asche / © Corinne Simon ( KNA )

Angesichts von Krisen und weltweiter Konflikte haben Bischöfe in Deutschland am Aschermittwoch zur Umkehr aufgerufen. Die bevorstehenden Tage bis Ostern seien eine Zeit, "in der das Gescheiterte und Verletzte eine radikale Wendung erfahren kann", sagte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bei einem Gottesdienst zum "Aschermittwoch der Künstler". Voraussetzung dafür sei die Trennung von allem, was krank mache, belaste oder verderbe. Menschen in Lebenskrisen, in Angst etwa vor Verlust der Arbeit oder in Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen, könnten auf Rettung hoffen.

Marx: Anstrengungen bei der Erneuerung der Kirche

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat in seiner Predigt zum Aschermittwoch verstärkte gemeinsame Anstrengungen bei der Erneuerung der Kirche gefordert. Mit Blick auf sexuellen Missbrauch und den Missbrauch von Macht sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, es sei "höchste Zeit" für Solidarität und Miteinander auf dem "neuen Weg der Kirche". - Marx äußerte sich beim Gottesdienst zum traditionellen "Aschermittwoch der Künstler" im Münchner Liebfrauendom.

Es gelte weiter, die eigene Schuld, "das, was an Versagen da ist, an Übersehen da ist, an Verwundungen da ist, zu benennen, zu bereuen", erklärte der Erzbischof von München und Freising. Ohne Reue gebe es keinen Neuanfang, aber es gebe auch keinen Neuanfang ohne Solidarität. "Wir brauchen einander, gerade jetzt in diesen schwierigen Jahren für die Kirche, in denen sie sich neu auf den Weg machen muss", so der Kardinal. Von großer Bedeutung sei dabei der "Blick von außen, auch der Blick derer, die uns mit Liebe, mit Ärger, aber auch mit großer Hoffnung begleiten, die zu recht viel von uns erwarten".

In der mit dem Aschermittwoch beginnenden Fastenzeit solle die Kirche diesen Weg "mit großer Offenheit" gehen, betonte Marx. "Wenn wir nur in uns verschlossen bleiben, wenn wir nur daran interessiert sind, dass es uns gut geht, dass wir durchkommen, dass wir vor den anderen gut dastehen, dann werden wir die befreiende Kraft der Reinigung nicht finden, die uns ermöglicht, den Umkehrweg gemeinsam zu gehen."

Das Thema Reinigung stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Im Eingangsbereich des Doms war die Arbeit "Waschende Hände" des Künstlerduos "Empfangshalle" zu sehen: In einer Waschstation können sich jeweils zwei Menschen gegenseitig unter fließendem Wasser die Hände waschen. Im Kontext des sakralen Raums soll das Werk deutlich machen, dass Reinigung und Versöhnung auch ein Beziehungsgeschehen sind.

Aschermittwoch in Berlin

Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch betonte am Mittwochabend beim "Aschermittwoch der Künstler" in der Berliner Gedenkkirche Maria Regina Martyrum, auch die Kirche sei zu Buße und Umkehr aufgerufen und müsse besonders mit Blick auf die Missbrauchsfälle in "Staub und Asche" gehen. "Die Kritik an der Kirche wird lauter. Und deshalb machen wir uns die Urformel der Reformation zu eigen, dass die Kirche immer wieder reformiert werden muss", so Koch.

"Wie wir es auch drehen und wenden, frei von großer oder kleiner Schuld können wir nicht sein", betonte die zum "Aschermittwoch der Künstler" geladene Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff in ihrer Rede zum Thema "Mummenschanz in der Divina Commedia". Sie erklärte: "Selbsterkenntnis im Sinne dessen, was wir anderen angetan haben, ist bekanntlich außerordentlich schwierig. Wenn sie überhaupt gelingt, dann allenfalls in Portionen, die wir für uns zuträglich halten."

Dröge ruft ebenfalls zur Umkehr auf

Angesichts weltweiter Krisen und Konflikte hat der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge zur Umkehr aufgerufen. "Mein Herz ist zerrissen, wenn ich erlebe, wie leicht sicher geglaubte Gewissheiten, entstanden durch die historischen Erfahrungen des letzten Jahrhunderts, heute aufs Spiel gesetzt werden", erklärte Dröge laut Predigtmanuskript.

"Mein Herz ist zerrissen, wenn ich Menschen mit Argumenten nicht mehr erreiche, weil Fakten nicht wahrgenommen werden wollen, wenn es sich besser anfühlt, das empörte Gefühl einfach rauszulassen", kritisierte Dröge. Er forderte, diesen "zivilisatorischen Rückschritt" aufzuhalten und Menschen zur Umkehr zu bewegen. "Umkehr geschieht selten durch Schelte. Um umkehren zu können, braucht es eine Vision, ein positives Bild von der Zukunft, das Charme genug hat, uns anzulocken", so Dröge. "Selbstkritisch müssen wir uns fragen, ob wir immer deutlich genug die Botschaft der Versöhnung und der Hoffnung gepredigt und gelebt haben."

Erzbischof Schick: Kunst hilft Menschen bei Selbstfindung

Beim Aschermittwoch der Künstler in Bamberg hat Erzbischof Ludwig Schick die Bedeutung von Kunst für jeden Einzelnen erwähnt. Er sieht in der Kunst eine Hilfe für den Menschen, eine Beziehung zu sich selbst zu finden. Es gebe derzeit eine Selbstentfremdung der Menschen, sagte Schick . "Die Mobilität und die Kommunikationsmöglichkeiten bergen die Gefahr in sich, oberflächlich zu werden und dadurch weder sich selbst noch Gott, weder den Mitmenschen noch die Schöpfung zu erkennen und mit ihnen in guten Beziehungen zu leben."

Die religiöse Musik von Konstantia Gourzi helfe jedoch dabei, die Beziehung des Menschen zu selbst als Subjekt und Person zu fördern, so der Erzbischof weiter. Die Komponistin ist eine international renommierte Wegbereiterin Neuer Musik und kreierte bereits zahlreiche Auftragskompositionen, unter anderem für die Berliner und Münchner Staatsopern.

Das Finden einer Beziehung zu sich selbst sei nur eine von vier Dimensionen der Religion, erklärte Schick. Eine weitere sei die Beziehung zu Gott. Diese sei immer von einer Suche geprägt. "Wer vorgibt, Gott zu haben, wird gefährlich." Die Frage nach Gott und der Austausch über die Suche gehörten auch zum interreligiösen Dialog.

"Er soll darüber sprechen, sich austauschen und diskutieren, wie die Religionen Gott sehen und auf welchen unterschiedlichen Wegen sie Gott, dem Urgrund und endgültigen Ziel, näherzukommen suchen."

Bischof Fürst: Kunst kann Weg zu Gott weisen

Kunstschaffende können nach Einschätzung des Rottenburger Bischofs Gebhard Fürst Wegbegleiter auf der Suche nach Gott sein. Kunst in ihren verschiedenen Ausdrucksformen wie etwa Dichtung, Malerei, Architektur oder Musik könne Suchenden den Weg weisen, sagte der Bischof beim traditionellen Aschermittwoch der Künstler in Stuttgart-Hohenheim. "Die Kunst hat mit dem Unsichtbaren und Unsagbaren, mit der Religion und dem Geheimnis zu tun", sagte Fürst.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und der rheinische Präses Manfred Rekowski haben beim Sozialpolitischen Aschermittwoch eine bedarfsgerechte Verteilung öffentlicher Gelder im Sozialbereich gefordert. Es dürfe nicht darum gehen, "Menschen mit der Gießkanne zu alimentieren", sagte Overbeck beim Podiumsgespräch in der Oberhausener Tafelkirche. Rewoski betonte, es brauche "Mut, Geld nicht nach dem Gleichheitsprinzip" zu verteilen. Eine Wirkung müsse dort erzielt werden, "wo es wirklich nötig ist". Beide Geistliche verwiesen auf eine lange Tradition der Kirchen, gerade im Ruhrgebiet soziale Einrichtungen bereitzustellen.

Overbeck fordert bedarfsgerechte Verteilung öffentlicher Gelder

Der Vorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Aart Jan de Geus, kritisierte die Zunahme an Armut in Deutschland bei gleichzeitig hohem pro-Kopf-Einkommen. Dass es den Deutschen "insgesamt gut geht, heißt nicht, dass es jedem Einzelnen gut geht", sagte er. "Das ist ein Problem der Verteilung, ein Fehler im System." So sei die Zahl der Kinder unter der Armutsgrenze in NRW in den vergangenen zehn Jahren um 70.000 auf 500.000 Kinder gestiegen. Jedes fünfte Kind sei somit betroffen, so der ehemalige stellvertretender Generalsekretär für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Seit 1998 laden Ruhrbistum und Evangelische Kirche im Rheinland zum sozialpolitischen Aschermittwoch ein. Ziel der Kirchen sei es, politische Akzente aus christlicher Perspektive zu setzen, hieß es. Die Veranstaltung findet jährlich wechselnd in einer katholischen und einer evangelischen Kirche statt.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf erklärte, ihn hätten kürzlich Kunstwerke, die die Vergänglichkeit behandelten, zum Nachdenken angeregt. "Wir haben von allem zu viel. Dadurch kann es geschehen, dass wir Kraft und Zeit in Dinge investieren, die wir eigentlich für Notwendiges bräuchten." Das Osterfest am Ende der Fastenzeit gebe ihm die Hoffnung, "Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden", denn damit stehe "das Lachen über dem Tod".

Die Tradition eines "Aschermittwochs der Künstler" war von der katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris begründet und in vielen deutschen Bistümern aufgenommen worden. In Berlin wird er seit Jahren ökumenisch gefeiert.


Kardinal Woelki bei der Eucharistie / © Boecker
Kardinal Woelki bei der Eucharistie / © Boecker

Kardinal Marx / © Dedert (dpa)
Kardinal Marx / © Dedert ( dpa )

Erzbischof Koch / © Markus Nowak (KNA)
Erzbischof Koch / © Markus Nowak ( KNA )

Bischof Markus Dröge / © Paul Zinken (dpa)
Bischof Markus Dröge / © Paul Zinken ( dpa )

Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischof Gebhard Fürst bei der Verleihung des katholischen Medienpreises 2018 / © Bert Bostelmann (KNA)
Bischof Gebhard Fürst bei der Verleihung des katholischen Medienpreises 2018 / © Bert Bostelmann ( KNA )

Franz-Josef Overbeck und Manfred Rekowski während der Dialogpredigt / © Harald Oppitz (KNA)
Franz-Josef Overbeck und Manfred Rekowski während der Dialogpredigt / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Mainzer Bischof Kohlgraf / © Tomasetti (DR)
Der Mainzer Bischof Kohlgraf / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA