Brandanschlag auf Flüchtlingsboot in Wittenberg

"Erst stirbt die Sprache, dann stirbt die Kultur"

In der Lutherstadt Wittenberg ist ein ausgestelltes Flüchtlingsboot nach Polizeiangaben Ziel eines Brandanschlags geworden. Der Oberbürgermeister schließt politisch motivierten Angriff nicht aus

Flüchtlingsboot als Exponat in Weltausstellung / © Sebastian Willnow (dpa)
Flüchtlingsboot als Exponat in Weltausstellung / © Sebastian Willnow ( dpa )

Unbekannte Täter hätten das Boot am frühen Samstagmorgen angezündet, teilte die Polizei am Samstag mit. Das Flüchtlingsboot sei vollständig zerstört worden. Der Wittenberger Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) verurteilte den Anschlag. Sollte es sich um eine politisch motivierte Tat handeln, wäre dies "ein Tiefpunkt für Wittenberg".

Derzeit liefen die Ermittlungen in alle Richtungen, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Laut Polizei werden Zeugen für die Tat gesucht. Zur Höhe des Schadens wurden bislang keine Angaben gemacht. Die Evangelische Kirche reagierte bestürzt.

Das Flüchtlingsboot war im Rahmen der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt ausgestellt worden. Es hatte im Jahr 2013 insgesamt 244 Frauen, Männer und Kinder unversehrt von Libyen nach Sizilien gebracht.

Flüchtlingsboot - "Denkmal der Menschlichkeit"

Auf der Weltausstellung Reformation sollte mit dem Boot auf die Lage von Mittelmeerflüchtlingen aufmerksam gemacht werden. Zudem sollte eine Diskussion zum Umgang mit geflüchteten und asylsuchenden Menschen angeregt werden. Das 23 Tonnen schwere Boot trug den Namen al-bahja (Fröhlichkeit, Freude). Es hatte eine Länge von 15,70 Meter, war 4,70 Meter breit und mit aufgesetzter Kajüte ebenso hoch.

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Samstag sagte Oberbürgermeister Zugehör, das als "Denkmal der Menschlichkeit, Konsequenz und Rechtsstaatlichkeit" bekannte Flüchtlingsboot habe an weiter ungelöste Fragestellungen erinnern sollen. "Eine Erinnerung, die auch nach der Weltausstellung Reformation nichts an seiner Bedeutung verloren hat", betonte Zugehör.

Worte in sozialen Medien bedenken

Umso schwerer wiege die Tat einer möglichen Brandstiftung, erklärte der Politiker. Dass dieses Schiff in den Morgenstunden des 10. November, also keine 24 Stunden nach dem Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht passierte, schließe nicht aus, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte. Dies wäre ein "Tiefpunkt für Wittenberg".

Zugehör rief zudem die Nutzer sozialer Medien auf, ihre Worte zu bedenken. "Erst stirbt die Sprache, dann stirbt die Kultur", zitierte Zugehör und mahnte, "die Stadt darf nicht gespalten werden". Wie eine Stadtsprecherin dem epd sagte, wurde die Flüchtlingsthematik von den Einwohnern in Wittenberg zuletzt vor allem auf Facebook sehr kontrovers diskutiert.


Quelle:
epd