Auch in Bayern müssen immer mehr Kirchen umgenutzt werden

Altar raus - Geldautomat rein?

Gestern noch Gotteshaus - heute Geldinstitut. Eine solche Umnutzung von Kirchen ist in Brandenburg schon Realität. Bald auch in Bayern? Dieses Thema kommt jedenfalls mit Macht auch auf den Süden Deutschlands zu.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Früher Kirche - heute Wohnhaus für 16 Parteien / © Patrick Post (KNA)
Früher Kirche - heute Wohnhaus für 16 Parteien / © Patrick Post ( KNA )

In Bayern ticken die Uhren anders, manchmal gehen sie nur etwas nach. Was tun mit Kirchen, die zu groß geworden sind, was mit Klöstern, deren Bewohner aussterben? Dieses Thema kommt mit Macht auch auf den Süden Deutschlands zu. Höchste Zeit also, Denkmalschützer, Architekten sowie kirchliche Bau- und Kunstexperten an einen Tisch zu holen.

Dem Ruf des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege ins ehemalige Kloster Fürstenfeld folgten am Montag und Dienstag fast 200 Neugierige. "Wir sind vielleicht nicht mehr so weit weg von Brandenburg und wissen es bloß noch nicht", mahnte der Kunstreferent des Erzbistums München und Freising, Norbert Jocher. Sein Bistum sammelt seit einigen Jahren Erfahrung mit aussterbenden Klöstern.

Anschlussverwendung gesucht

Nicht immer gelingt eine reibungslose Anschlussverwendung. In Reutberg bei Bad Tölz scheint die Hilfestellung des Erzbistums nicht mehr willkommen. Vor wenigen Tagen hat die Ordenskongregation auf Bitten eines lokalen Unterstützervereins verfügt, dass der eigentlich nicht mehr existente Konvent zweier Franziskanerinnen, verstärkt durch eine jüngere Schwester eines anderen Ordens, nun doch erhalten bleiben soll. Dabei hatte der Vatikan Kardinal Reinhard Marx vor zwei Jahren ausdrücklich mit der Auflösung des Klosters betraut.

Historisch waren die rund 1.000 bayerischen Klöster schon vieles: Nach der Säkularisation 1803 mutierten sie zu Kasernen und Künstlerateliers. Brauereien zogen ein - und "Irrenhäuser" auch. Das Thema betrifft Katholiken und Protestanten. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche im Freistaat hat ihre über 6.000 Gebäude systematisch bewertet. Ergebnis: Unter den Immobilien, die vor der Aufgabe stehen, sind auch 68 Kirchen.

Im Bistum Aachen ist man schon weiter. Als sich zeigte, dass der Instandsetzungsbedarf für die rund 800 Kirchen und Kapellen um ein Drittel höher war als die verfügbaren Mittel, entschied man sich zu rigorosen Maßnahmen: Im Sanierungsfall erhalten die Gemeinden für ein Drittel der Sakralgebäude keine Bistumszuschüsse mehr. Inzwischen wurden 20 Kirchen verkauft, 20 teilweise oder ganz umgenutzt.

Kindertagesstätten oder Altenheime

Aus den Gotteshäusern sind Urnenbegräbnisstätten geworden. Büros zogen ein, manche wurden zu Kindertagesstätten oder Altenheimen.

Umstritten: das Projekt einer "Kletterkirche" und das digitale Start-up-Labor in Aachen Sankt Jakob. Für einen Raum der Stille war kein Platz mehr. "Die Bevölkerung nimmt es gut an, aber der Bischof hat Schwierigkeiten", berichtete Bernhard Stenmans aus dem Aachener Generalvikariat.

Der Münchner Generalvikar Peter Beer warb dafür, aufgegebene Klöster weiter kirchlich zu nutzen und in kirchlichem Eigentum zu halten.

Zugleich müsse man sich für neue Bedarfe öffnen. Warum sollte nicht ein Handwerkerhof dort einziehen, um die lokale Wirtschaft zu beleben, oder ein Ärztezentrum? Auch eine Apotheke kann Beer sich vorstellen. Weil es sich um Nutzungen handelt, in denen er noch eine Nähe zum kirchlichen Auftrag erkennt.

Generalvikar schwebt Größeres vor

Beer schwebt auch Größeres vor: Ehemalige Klöster könnten zu gesellschaftlich wirksamen Beispielen alternativen Lebens weiterentwickelt werden; zeigen, wie Integration von Flüchtlingen gelingt, die Inklusion von Menschen mit Behinderung oder auch generationenübergreifendes Wohnen. An Geldmangel wird das in München eher nicht scheitern, vielleicht aber an Personal.

In Brandenburg haben bürgerschaftliches Engagement und staatliches Geld in der Euphorie der Nachwendezeit etliche Dorfkirchen vor dem Verfall bewahrt. Mit zwiespältigen Ergebnissen: Wo nur noch 50 Menschen wohnen, gibt es auch für ein aufgeputztes Kirchlein mit einer tollen Orgel kaum noch Verwendung. "Da müssten sie für eine Konzertreihe auch die Zuhörer mitbringen", feixte Bernd Janowski vom Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg.

Wenn Janowski im Havelland unterwegs ist, weiß er manchmal nicht, ob er sich ärgern oder freuen soll. Die ehemalige Dorfkirche in Milow ist heute eine Sparkassenfiliale. Kredit statt Credo. "Der Geldautomat steht genau dort, wo früher der Altar war. Aber diese Nutzung rettete dem Gebäude das Leben."


Quelle:
KNA