Kohlgraf sieht kein Fehlverhalten von Vorgängern bei Missbrauch

"Dafür geben die Akten nichts her"

Im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung sahen sich Bischof Heiner Wilmer und Erzbischof Stephan Burger mit Fehlverhalten der Vorgänger konfrontiert. Bischof Peter Kohlgraf hat ebenfalls Akteneinsicht genommen und äußerte sich am Dienstag.

Kardinal em. Karl Lehmann (l.) weiht Peter Kohlgraf zum neuen Bischof von Mainz / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal em. Karl Lehmann (l.) weiht Peter Kohlgraf zum neuen Bischof von Mainz / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sieht bislang kein Fehlverhalten seiner Amtsvorgänger beim Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch. "Dafür geben die Akten auf den ersten Blick nichts her", sagte Kohlgraf am Dienstagabend in Mainz. Seine Amtsvorgänger Kardinal Karl Lehmann und Kardinal Hermann Volk hätten das Thema sexueller Missbrauch allerdings "unter den Maßgaben und Erkenntnissen ihrer Zeit" beurteilt, erklärte Kohlgraf bei einer Podiumsdiskussion.

Der im März 2018 verstorbene Kardinal Lehmann habe schon 2010 gesagt, dass das Thema in der Kirche massiv unterschätzt worden sei, sagte Kohlgraf. Lehmann sei allerdings davon ausgegangen, dass es vor allem um Einzeltäter gehe und nicht um ein systemisches Problem - und würde heute "einen wirklichen Schmerz und Schock" empfinden, dass es nicht allein um einzelne Täter gehe, sagte Kohlgraf. Hier habe die Kirche "gelernt und da lernen wir weiter", sagte der erst seit August 2017 amtierende Bischof. Er werde sich in den kommenden Tagen und Wochen mit Missbrauchsopfern treffen. Außerdem seien Gespräche mit Experten wie Juristen, Therapeuten und der Polizei geplant, sagte Kohlgraf.

Kritik an den Vorgängern

Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hatte kürzlich seinem Vorvorgänger Josef Homeyer und der damaligen Bistumsleitung Versagen im Umgang mit Missbrauchstätern und Vertuschung vorgeworfen. Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hatte sich für das Verhalten seiner "Vorgänger und der Verantwortlichen in der Bistumsleitung" im Umgang mit Missbrauch entschuldigt und Opfern ein Gespräch angeboten.

Die deutschen Bischöfe hatten Ende September die von ihnen in Auftrag gegebene Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" vorgestellt. Demnach gab es zwischen 1946 und 2014 in Deutschland 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Beschuldigten, darunter mehrheitlich Priester.

Das Bistum Mainz hatte parallel zur bundesweiten Studie eigene Zahlen veröffentlicht. Nach Auswertung von Akten aus den Jahren 1946 bis 2017 gab es demnach im Bistum Mainz Missbrauchsvorwürfe gegen 51 Priester und zwei Diakone.

Weitere Reaktionen

Studien-Koordinator Harald Dreßing betonte, dass in der Kirche stärker als bisher über die Sexualmoral und klerikale Machtstrukturen diskutiert werden müsse. Denn in der katholischen Kirche gebe es "spezifische Strukturen, die Missbrauch begünstigt haben". Der Unterschied zu Missbrauchsfällen etwa im Sport sei zudem, "dass es keine Institution mit so hoher moralischer Fallhöhe gibt wie die katholische Kirche".

Der Jesuit Klaus Mertes forderte eine verstärkte Positionierung der Bischöfe zum Thema Sexualität. Von der Bischofskonferenz erhoffe er sich, "dass sie bei der Missbrauchskonferenz im Februar im Vatikan das Tabu über Homosexualität bricht". Mertes hatte 2010 als damaliger Leiter der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg öffentlich gemacht, dass Schüler durch Geistliche sexuell missbraucht worden waren.


Quelle:
KNA
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