Schwäbisches Krippenmuseum zeigt das älteste Jesulein der Welt

Nach fünf Jahren Umbau neu eröffnet

Dass der Star der Ausstellung schon satte 700 Jahre überdauert hat, war bis vor kurzem unbekannt. Inzwischen ruht der Schatz hinter Panzerglas – unlängst trug man ihn noch regelmäßig spazieren.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Ältestes Jesulein der Welt  / © Christopher Beschnitt (KNA)
Ältestes Jesulein der Welt / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Dieser Bub ist ein einziges Rätsel. Er hat Babyspeck, spielt mit seinem Fuß, steckt einen Finger in den Mund. "So eine kindliche Darstellung ist für damals absolut unüblich, die kam erst 200 Jahre später auf", sagt Christian Schedler. Das Objekt, vor dem der Kulturamtschef von Mindelheim gerade steht, stammt indes schon aus der Zeit um 1300. Es ist das wohl älteste Jesulein der Welt - und damit der Star im neu eröffneten Schwäbischen Krippenmuseum. Fünf Jahre wurde das Haus, in dem sich alles um Christi Geburt dreht, saniert und umgestaltet, für rund zwei Millionen Euro. Das Jesulein dürfte beträchtlich mehr wert sein.

"Wie viel, ist aber nicht abzuschätzen", sagt Schedler. "Es gibt kein Vergleichsstück." Dafür aber weitere Rätsel rund um die Gotik-Figur: So ist der Künstler der 8,5 Zentimeter hohen Holzschnitzerei nicht überliefert. Und wieso schuf er seinerzeit eine solche Darstellung, obwohl die Christkind-Verehrung erst ab 1500 entstand?

Franziskanerinnen wussten nicht welche Kostbarkeit sie berherbergten

Folgendes aber weiß man doch: "Das Jesulein stammt aus einem Kloster im württembergischen Leutkirch", erzählt Schedler. "Im Zuge der Säkularisation kam es nach Mindelheim, zu den hiesigen Franziskanerinnen." Die Schwestern aber wussten lange nicht, welch Kostbarkeit sie beherbergten.

"Sie nannten es 'Haushälterle' und reichten es Woche für Woche von Zelle zu Zelle", berichtet Schedler. Damals habe die Figur in prachtvollen Kleidern aus dem Rokoko gesteckt, man habe angenommen, dass auch das Kind aus dieser Epoche sei. "Erst vor einigen Monaten haben wir es mal ausgezogen und von Wissenschaftlern untersuchen lassen. Per Radiokarbonmethode wurde dann das wahre Alter offenbar." Um den Ursprungscharakter zu zeigen, bleibt das Kleinod seitdem nackert. Nun thront es auf einem Kissen - hinter Panzerglas.

40 Krippen mit Tausenden Figuren

Natürlich, für die nahende Neueröffnung war die Entdeckung des ältesten Jesuleins der perfekte Aufhänger. Doch auch sonst macht die Schau einiges her. Auf rund 400 Quadratmetern präsentiert sie um die 40 Krippen mit wohl Tausenden einzelnen Personen, Tieren, Pflanzen und Gegenständen. Darunter sind auch Figuren der Wittelsbacher, des einstigen bayerischen Herrscherhauses. Holz und Gips, Ton, Wachs und Pappmasche und selbst Gold und Brokat - an Materialien ist in den mit viel Liebe zum Detail und erstaunlicher Tiefenwirkung gestalteten Kulissen einiges vertreten.

Ergänzt wird die Ausstellung von Gemälden und Comics, Kinderstationen und Multimedia-Ecken. An einer kann man das Firmament über Palästina zur Zeit von Jesu Geburt erleben. Und siehe da: Damals gab es tatsächlich so etwas wie den Stern von Bethlehem. Saturn und Jupiter standen so eng nebeneinander, dass der Himmel ungewöhnlich hell erstrahlte.

Handwerk als ein Zeitvertreib

An Info-Stationen erfährt der Besucher zudem Wissenswertes über den Ursprung der Krippen und über deren große Bedeutung in Schwaben. 1618 zogen demnach die Jesuiten nach Mindelheim. Schedler erklärt: "Sie wussten, dass bildhafte Darstellungen viel eindrücklicher wirken als bloße Predigten." Daher hätten sie die in ihrer italienischen Heimat bereits bekannte Krippentradition mit über die Alpen gebracht. Von Mindelheim aus habe sich der Brauch dann gerade in Schwaben ausgebreitet, wo er bis heute in vielen Orten tief verankert sei.

"Da schnitzt teilweise jeder Vater und jeder Sohn", sagt Museumschefin Friederike Haber. Für manche sei dieses Handwerk ein Zeitvertreib, für andere zumindest früher eine überlebenswichtige Quelle zum Broterwerb gewesen. Dass Krippen mit dem Überleben zu tun haben, zeigt auch das Exponat, auf das Haber jetzt verweist: eine Holzskulptur, die die schwangere Maria auf einem Esel darstellt.

"Wir präsentieren sie vor einer Fotocollage mit Bildern der Flüchtlingsbewegungen von 2015", erläutert Haber. Der Zusammenhang ist klar: Migration und Hilfsbedürftigkeit sind stets aktuell, heute wie vor 2.000 Jahren. "Jesus reiht sich mitten in die Flüchtlinge ein", merkt Schedler an. Er meint wohl: Das Exponat hinter Panzerglas mag teuer sein - aber wirklich unbezahlbar ist jedes einzelne Leben da draußen.


Quelle:
KNA